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Das Fanerlebnis in der Bundesliga ist unbezahlbar.

© dpa

Bundesliga vs. Premier League: Die beste Liga der Welt

Ein Engländer, der die Bundesliga verfolgt, gilt bei seinen Landsleuten als Exot. Kit Holden erklärt, warum der englische Fußball für ihn an Reiz verloren hat, und wie er im deutschen Fußball Trost findet.

Du gewöhnst dich an die ungläubigen Blicke. Sag mal einem Engländer, dass du die Bundesliga der Premier League vorziehst, und er guckt dich an als wärst du verrückt. Außer du trägst Lederhosen. Und wahrscheinlich auch dann, obgleich aus anderen Gründen. „Aber“, stottert er, „aber du bist Engländer!“

Dass ein Landsmann seiner patriotischen inneren Stimme entsagen und die Bundesliga schauen kann, ist für einen Engländer ähnlich unvorstellbar wie eine deutsche Queen (was ja eigentlich eine Tatsache ist, aber psssst! Über so etwas reden wir nicht). „Du  musst es doch zugeben“, sagt er, als er sich vom Schock erholt hat, „dass die Premier League Die Beste Liga Der Welt ist!“ Die Großbuchstaben sind immer zu hören.

Die Premier League ist doch beeindruckend. Unglaublich, wie sie sich überall in die Welt verkauft hat. Das erinnert an die guten, alten Tagen, oder? Riesig diese Kraft, mit der sie die ganze Insel davon überzeugt hat, dass der Fußball erst im Jahre 1992 begann. Aber genau aus diesen Gründen ist sie auf keinen Fall Die Beste Liga Der Welt.

Wenn du den verwirrten Engländer mal fragen würdest, warum er glaubt, dass seine Liga die Beste der Welt ist, hätte er keine Antwort darauf. Er weiß es nicht. Wieso sollte er? Er guckt andere Ligen gar nicht an. Wieso sollte er? Die sind einfach nicht so gut wie die Premier League. So ist es, einfach. Mensch, guckst du nicht Match of the Day, oder was?

Warum aber gucken manche von uns Bundesliga statt Premier League? Ein Bundesliga-Fan in England hat es schwer. Entweder muss man Spiele illegal im Internet anschauen, oder man muss jeden Freitagabend eine ganze Stunde damit verbringen, den Barkeeper davon zu überzeugen, dass Mainz gegen HSV im ESPN „really is worth it, guv’nor“.

Die Anstrengung lohnt sich. Die Bundesliga ist ein Fußballwettbewerb, kein Hedgefonds. Wenn die Trainer Interviews geben, nennen sie nicht den Namen des Liga-Sponsors (es gibt ja keinen in Deutschland), als ob die tief unmoralische Barclays Bank teilweise an dem Sieg ihrer Mannschaft beteiligt gewesen sei. Wenn Fritz von Thurn und Taxis ein Spiel kommentiert, rechnet er nicht jedes Tor der Souveränität der Bundesliga zu.

Der Sport steht im Vordergrund.

Die Bundesliga ist charmant und nostalgisch. Es geht nicht nur um 50+1, um Stehplätze und Bier in den Rängen. Es geht darum, dass der BVB die Dominanz der Bayern nur mit gutem Management und einem starken Jugendsystem brechen kann. Es geht darum, dass Gladbach in der Champions League spielen kann, nur ein Jahr, nachdem es ein Relegationsspiel bestritten hat. Es geht besonders darum, dass diese Sachen nicht als Beweis der Souveränität der Liga gelten, sondern einfach als Sport genossen werden. 

Als der BVB vor einem Jahr nach London kam, um gegen Arsenal in der Champions League zu spielen, bewunderten die englischen Journalisten den Enthusiasmus der Dortmunder Fans. Sie bestaunten es, dass diese Fans für weniger als 20 Euro ein Spiel gegen den FC Bayern sehen könnten. Sie wurden anfangs beraten, jenes Wunderkind namens Mario Götze im Auge zu behalten, aber sie verließen das Stadion beeindruckt von der ganzen Borussia-Mannschaft. Trotz der Niederlage. Die Namen dieser Spieler kannten sie nicht, der Verein war trotzdem Deutscher Meister.

In England kann man entweder die Meisterschaft kaufen oder darauf verzichten. Die Fans werden als Komparsen in einem Spektakel ignoriert, der sich primär um Sponsoren  und Investoren dreht. Genau deswegen ist die Premier League laut ihrer eigenen Arroganz Die Beste Liga Der Welt. Weil sie mehr Geld einbringt.

Warum gucken wir deutschen Fußball? Weil wir dann das Gefühl haben, dass wir Sport sehen, nicht die Börsennachrichten.

Natürlich ist die Bundesliga keine Utopie.  Sie hat auch ihre eigenen Probleme: Probleme, die der englische Fußball und die Premier League größtenteils vor zwanzig Jahren gelöst haben. Fangewalt, zum Beispiel. Aber selbst der Hooliganismus, den wir derzeit in der Bundesliga sehen, ist nicht mit dem der Achtziger in England vergleichbar. Auch die Ultras können an der Debatte vernünftig teilnehmen. Und die Engländer haben den Hooliganismus sowieso einfach nur ersetzt. Ersetzt mit einem noch böseren Problem: einem regellosen, freien Markt, wo die Finanzkraft wichtiger ist als der Fußball.

Die Argumente sind bekannt: Die Bundesliga steht für billigere Eintrittskarte, weniger Ausbeutung der Fans und mehr finanzielle Gleichheit. Ich weiß, dass ich bei dem Leser offene Türe einrenne. Aber das sind keine Kleinigkeiten. Liebe deutsche Fußballgemeinde! Was auch immer Martin Kind sagt: Halten Sie an der 50+1 Regel fest. Halten Sie an der Fanmacht, an der Wettbewerbsfähigkeit und an dem Ligasponsorenmangel fest. Sonst werden Sie ihre Fußballliebe endgültig verlieren. 

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