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Sport: Bundesstreittag

Der DFB, die DFL und die Ausländerfrage

Als Uwe Seeler aus seinem Auto vor dem Steigenberger-Hotel in Osnabrück stieg, hatte er noch gute Laune. „Das wird eine richtig ruhige Veranstaltung", sagte das Hamburger Fußball-Idol am Freitagnachmittag bei seiner Ankunft beim Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). „Hoffentlich vertragen sich auch alle.“ Doch in der Stadt, in der 1648 der Westfälische Friede geschlossen wurde, war es zu diesem Zeitpunkt längst mit der Harmonie vorbei. All die wehenden Fußballfahnen im Stadtzentrum, all die bunten Turniere für Freizeitmannschaften vor dem Rathaus konnten über eines nicht hinwegtäuschen: Hinter der Fassade des DFB waren pünktlich zur Eröffnung der Mitgliederversammlung neue Machtkämpfe ausgebrochen. Die im Ligaverband organisierten Profivereine hatten in der Nacht zum Freitag alle vorher mühsam vereinbarten Kompromisse noch einmal in Frage gestellt und sich sogar geweigert, den mit der DFB-Spitze bereits neu ausgehandelten Grundlagenvertrag zu unterzeichnen. Grund: Ein Antrag des DFB-Spielausschusses, der eine Beschränkung auf fünf und später vier Nicht-EU-Ausländer pro Bundesliga-Team vorsah, ging vielen Vereinen zu weit.

Noch kurz vor der Eröffnung in der Stadthalle geriet sogar die für den heutigen Samstag geplante Wahl der Doppelspitze des amtierenden Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder mit dem bisherigen Schatzmeister Theo Zwanziger in Gefahr. Denn die Liga verfügt beim Bundestag über mehr als ein Drittel der Stimmen und kann damit alle Grundsatzbeschlüsse kippen. Kurz vor seiner Abfahrt vom Hotel in die Stadthalle redete der designierte neue Präsident Zwanziger, der vor allem von den Amateurverbänden gestützt wird, noch einmal lange auf Mayer-Vorfelder ein, der hob entschuldigend die Arme. „Es kommt meistens so, wie ich mir das vorstelle", machte sich Zwanziger danach selber Mut.

Kräfte bündeln für 2006 – dieses Motto hatten sich die Delegierten zwei Jahre vor der WM in Deutschland gegeben. Doch Franz Beckenbauer fand im Tagungssaal einen treffenderen Slogan: „Der deutsche Fußball hat viel Zeit vergeudet.“ Eine Menge Arbeit sei liegen geblieben wegen kleinlicher Streitigkeiten, schimpfte der WM-Organisationschef. Die Delegierten bündelten ihre Kräfte zu einem kollektiven Raunen.

Als in der Stadthalle Osnabrück das Orchester aufspielte, dachte wohl mancher Funktionär zurück an den Sommer, als sich der größte Fußballverband der Welt erst nach einer wochenlangen Führungskrise auf das Spitzenduo mit Mayer-Vorfelder und dem bisherigen Schatzmeister Zwanziger einigen konnte. Und nun stand alles wieder auf der Kippe. Erst als Bundespräsident Horst Köhler bei den zerstrittenen Herren des Fußballs eintraf, schien endlich ein Kompromiss in Sicht. „Die Doppelspitze ist nicht mehr in Gefahr“, sagte Ligachef Werner Hackmann, als er in der Stadthalle ankam. Die Liga hatte inzwischen einen Kompromiss vorgeschlagen: Beschränkung ja, aber nur auf Spieler, die nicht aus Europa kommen. Am späten Abend, als eigentlich eine ausgelassene Party mit Musik und Tanz angesetzt war, kam das Präsidium des DFB noch einmal zusammen, um den Vorschlag abzusegnen. „Ich werde zustimmen“, kündigte Mayer-Vorfelder an. Und Zwanziger, der sich mit den Amateuren für die Ausländerregelung und damit für eine bessere Förderung deutscher Talente stark gemacht hatte, meinte: „Die Regelung ist ein Fortschritt, auch wenn ich mir mehr gewünscht hätte.“

Der extra angereiste Bundespräsident Köhler, der in seiner Eröffnungsrede mehr Unterstützung für den deutschen Nachwuchs einforderte, mahnte die Sportpolitiker eindringlich: „Der Fußball lebt auch jenseits des Platzes von dem Grundsatz: Fair geht vor.“ Da klatschten alle Funktionäre in die Hände. Und Uwe Seeler konnte wieder lachen.

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