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Sport: Casting in den eigenen Reihen

Auf der Suche nach dem Ballack-Nachfolger sichten die Bayern ihr Personal

In der 74. Minuten erhoben sich die Fans. An der Außenlinie stand schließlich Mehmet Scholl und es gibt in der doch recht jungen Geschichte der neuen Allianz-Arena nur wenige Ereignisse, die vom Volk so gefeiert werden wie die Einwechslung des 35-jährigen Publikumslieblings bei Bayern München. Doch am Mittwochabend galt der Applaus der Massen zumindest teilweise auch der Kraft, die für Scholl das Feld verließ: Roque Santa Cruz. Er hatte nach einem halben Jahr Verletzungspause sein erstes Spiel gemacht. Auch wenn die ansprechende Leistung des 24-Jährigen und der 3:1-Sieg der Bayern eher mit der schwachen Leistung des VfB Stuttgart zu erklären ist, so ist das Publikum in München bei gewissen Punkten mittlerweile sensibilisiert: Da Michael Ballack den Verein nach dieser Saison verlassen wird, ist seit einigen Wochen die Position des offensiven Mittelfeldspielers, in der Umgangssprache „Ballack-Rolle“, ausgeschrieben.

Seitdem geisterten mit dem Schalker Lincoln eine offensivere und mit Mark van Bommel FC Barcelona eine defensive Variante durch die Zeitungen der bayerischen Landeshauptstadt. Zuerst sagte aber van Bommel ab und gestern gab Schalke bekannt, dass Lincoln keine Freigabe erhält. Da Santa Cruz den gelb-gesperrten (und auf der Tribüne sitzenden) Ballack durchaus ansprechend ersetzte, gerieten nicht nur die Anhänger auf den Rängen, sondern auch der erste Fan des Vereins, der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge, ins Schwärmen: „Es ist gut gewesen, Roque auf dieser Position zu sehen. Er hat total überzeugt und ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht“, sagte er und sprach dann einen Satz, der aus seinem Mund so glaubhaft klang wie Meisterschaftsambitionen des MSV Duisburg: „Er hat gezeigt, dass wir auf dieser Position vielleicht doch nicht zukaufen müssen.“

Zwar hatte sich Santa Cruz wirklich bemüht, den wichtigen Treffer zum 1:1 erzielt und „spielerische Momente reingebracht“, wie Trainer Felix Magath feststellte, doch dem von seinem Mitspieler Owen Hargreaves gezogenen Vergleich mit dem Brasilianer Kaka vom AC Mailand hielt die Leistung des Paraguayers (noch) nicht stand. Zwar ist Hargreaves zuzustimmen, wenn er sagt, dass Santa Cruz „körperlich stark, schnell, technisch sehr gut und auch kopfballstark“ sei, doch all diese Eigenschaften konnte der Hochgepriesene bislang nie eine Saison am Stück zeigen. „Roque hat heute gezeigt, dass er auf der Ballack-Position durchaus eine Alternative sein kann“, sagte Manager Uli Hoeneß, „aber ob er diese Rolle ständig spielen kann, kann man erst nach mehreren Spielen sagen.“

Es scheint, als bauten die Bayern schon einmal der Möglichkeit vor, dass sie beim Wettbieten auf dem nationalen und internationalen Transfermärkten leer ausgehen und für die „Ballack-Rolle“ ein Casting in den eigenen Reihen durchführen. Dort fiel der Name Zé Roberto, den man laut Magath „auch mal wieder zentral spielen lassen könnte“, hinzu kamen noch „Deisler und Schweini, die diese Rolle auch spielen können“, wie Hargreaves anmerkte. Und auch Julio dos Santos. Der Paraguayer, in der Winterpause für 2,5 Millionen Euro verpflichtet, wartet noch immer auf sein Profidebüt. Am Mittwoch saß er trotz zahlreicher Ausfälle im Mittelfeld nur auf der Tribüne – und kam Ballack so zumindest körperlich am nächsten.

Moritz Küpper[München]

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