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Sport: ChampCar-Unglück: "Schon wieder italienisches Blut"

Die Frau saß wie versteinert im Pressezentrum am EuroSpeedway Lausitz und starrte auf die Bildschirme über sich. Dann schlug sie die Hände über den Kopf, und als keine weiteren Bilder zu sehen waren, weil die Übertragung vom ChampCar-Rennen unterbrochen war, verließ sie den Raum.

Die Frau saß wie versteinert im Pressezentrum am EuroSpeedway Lausitz und starrte auf die Bildschirme über sich. Dann schlug sie die Hände über den Kopf, und als keine weiteren Bilder zu sehen waren, weil die Übertragung vom ChampCar-Rennen unterbrochen war, verließ sie den Raum. So erlebte Daniela Zanardi den schrecklichen Unfall ihres Mannes Alexander. Fünf Stunden lange kämpften die Ärzte im Marzahner Unfallklinikum um das Leben des Italieners. Sie gewannen den Kampf, doch der Preis war hoch. Zanardi wurden beide Beine oberhalb der Knie amputiert.

Noch am Montag hatte sich die Familie Zanardi, zu der auch der dreijährige Nicolo gehört, in Monte Carlo mit der Familie von Heinz-Harald Frentzen getroffen. Sie sprachen dabei auch über die Europa-Premiere der US-amerikanischen Rennserie in Deutschland, aber vor allem um die Kinder, ihre Erziehung und deren Zukunft. Doch der Alltag holte beide Rennfahrer wieder ein: Zanardi reiste nach Klettwitz und Frentzen nach Monza. Beide im Bewusstsein, einen Job auszuüben, in dem es auch um Leben und Tod gehen kann.

Der 34-jährige Zanardi liegt immer noch auf der Intensivstation der Marzahner Unfallklinik, von den Ärzten in ein künstliches Koma versetzt. Durch einen Fahrfehler hatte er sein Auto am Samstag in der 143. Runde aus der Boxengasse kommend quergestellt. Der Kanadier Alexandre Tagliani konnte nicht mehr ausweichen und fuhr mit 320 km/h seitlich in Zanardis Auto. Tagliani kam bis auf kleinere Blessuren mit dem Schrecken davon.

"Schon wieder Blut auf dem Lausitzring, auf dieser verdammten Rennstrecke. Und schon wieder ist es italienisches Blut. Was für ein Drama", titelte daraufhin gestern die "Gazzetta dello Sport". Die ARD hatte sich unmittelbar nach dem Unfall aus ihrer Live-Übertragung ausgeblendet. Auch an der Strecke setzten sofort die Diskussionen um die Sicherheit derartiger Hochgeschwindigkeitsrennen und des EuroSpeedways im Speziellen ein. Erst im Frühjahr verunglückten auf der erst eineinhalb Jahre alte Piste zwei Menschen tödlich. Am 26. April starb der Italiener Michele Alboreto bei Testfahrten für das 24-Stunden-Rennen von Le Mans, am 11. Mai wurde ein Streckenposten bei den Trainingsrunden für das Deutsche Tourenwagen Masters getötet.

"Die Strecke wurde von allen gelobt. Ich bin Christ und glaube daher nicht, dass der Lausitzring unter einem schlechten Stern steht", sagt EuroSpeedway-Geschäftsführer Hans-Jörg Fischer. Warum aber wurde das Rennen nicht sofort abgebrochen? Warum absolvierte das Safety-car noch mehrere Runden, bevor die Zielflagge nach der 154. Umkreisung alle erlöste? Fischer hatte darauf offensichtlich keinen Einfluss. Weitere Fragen bleiben offen. Warum verfügen die ChampCar-Autos nicht über die Sicherheitstechnik, die in der Formel 1 für die Fahrer zur Lebensversicherung geworden sind? Zuletzt hatte das Monocoque, eine stabile Fahrerzelle aus Carbonfaser, Luciano Burti wohl das Leben gerettet. Das war erst vor ein paar Wochen beim dramatischen Unfall des Brasilianers in Spa-Francorchamps. In der ChampCar-Serie gibt es das nicht, das Vorderteil von Zanardis Honda-Reynard wurde bei dem Unfall regelrecht abrasiert. Natürlich ist auch in der Formel 1 nicht garantiert, dass ein Fahrer bei einem Seitenaufprall mit mehr als 300 km/h ohne Verletzungen bleibt. Aber auseinanderbrechen würde das Auto nicht.

Neben der Sicherheit auf den Rennstrecken und in der ChampCar-Serie spielte auf dem EuroSpeedway auch eine menschliche Komponente eine wesentliche Rolle. Nach einem sehr frustrierenden Jahr in der Formel 1 bei Williams-Supertec und einer einjährigen Pause war der zweimalige ChampCar-Gesamtsieger Zanardi mit seinen Leistungen auch in dieser Saison völlig unzufrieden. Offensichtlich wollte er allen beweisen, dass er mit seinen 34 Jahren noch gut genug war. Von Platz 22 gestartet, kämpfte Alexander Zanardi sich bis an die Spitze vor. Dann kam der Crash. Daniela Zanardi brach noch an der Rennstrecke mit einem Schock zusammen.

Zur gleichen Stunde begann der Vorverkauf für das ChampCar-Rennen 2002.

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