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Champions League: Der letzte Eindruck bleibt

Nach der guten zweiten Hälfte gegen Barcelona glaubt Schalke noch an das Wunder in der Champions League.

Der ohnehin erfreuliche Europapokalabend von Gelsenkirchen endete auch für den Materialwart des FC Barcelona mit einer erfreulichen Nachricht. Fast der komplette Trikotsatz konnte gerettet werden, die Verluste waren kaum erwähnenswert. Das kommt selten vor. Bei internationalen Auftritten des katalanischen Nobelklubs verfolgen die gegnerischen Spieler nach dem Abpfiff eigentlich nur noch ein Ziel: einen möglichst prominenten Barca-Angestellten zum Trikottausch zu stellen. Die Schalker aber verzichteten nach der 0:1-Niederlage im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League auf derartige Anstrengungen. Als sie sich um kurz nach halb elf von ihren Fans in der Nordkurve verabschiedeten, trug ausschließlich der Brasilianer Rafinha Orange. Bei allen anderen hatte der Stolz gesiegt.

Die Spieler des FC Barcelona waren an diesem Abend für nicht würdig befunden worden, das Schalker Trikot zu tragen. Das lag vor allem an der Schlussphase, die für die Spanier nach einer sehr freien Interpretation ungefähr 25 Minuten vor dem Abpfiff begonnen hatte. Fortan nutzten sie jede erdenkliche Gelegenheit, um ein paar Sekunden zu schinden. Nach jedem harmlosen Foul blieben Barcas Spieler auf dem Boden liegen, jede Auswechslung wurde zum retardierenden Moment – und immer größer die kollektive Wut der Schalker angesichts dieser plumpen Verschleppungstaktik. Weil die vermeintlichen Künstler aus dem Süden sich solch profaner Mittel bedienten, schrumpfte der große FC Barcelona endgültig auf Zwergenmaß. Die Schalker hingegen kamen sich wie Riesen vor.

„Für mich hat die schlechtere Mannschaft gewonnen“, sagte Schalkes Verteidiger Heiko Westermann. „Wir haben ein Riesenspiel abgeliefert.“ In Wirklichkeit hatte seine Mannschaft allenfalls eine Riesenzweitehalbzeit abgeliefert. Bis zur Pause nämlich stimmten die Größenverhältnisse noch: Barcelona kontrollierte das Geschehen, die Mannschaft ließ den Ball laufen, Schalke lief nur nebenher. „Das erste Tor sagt alles“, klagte Trainer Mirko Slomka. Iniesta wurde im Mittelfeld nicht bedrängt und konnte mit dem Außenrist einen Pass in die Schnittstelle der Schalker Viererkette spielen, Rafinha ließ in seinem Rücken Thierry Henry laufen, dessen Schuss prallte von Manuel Neuers Brust zurück ins Feld, und selbst jetzt griff kein Schalker ein. Henry kam erneut an den Ball und bediente den Torschützen Bojan Krkic, der den Ball über die Linie schob.

„Ich hätte nicht gedacht, dass wir so großen Respekt haben“, sagte Slomka. Erst nach der Pause regte sich Schalkes Widerstand. Die Mannschaft spielte jetzt endlich mit dem Mute des Außenseiters, der eh nichts zu verlieren hat. Barcas Innenverteidiger wurden entschlossener angegangen und zu langen Bällen gezwungen, die dann von den Schalkern prompt wieder eingesammelt wurden. „Das ist eine Mannschaft, die man attackieren muss“, sagte Slomka. „Das haben wir vorher gewusst, aber wir kamen nicht so richtig hin.“

Nach der Pause kamen sie, und Chancen ergaben sich zwangsläufig. Asamoah verfehlte knapp das Tor, eine Minute später strich Altintops Schuss um Zentimeter am langen Pfosten vorbei, und in der Schlussphase flogen Kopfbälle von Larsen und Bordon über die Latte. „Wenn die drei Stück bekommen, hätten sie sich auch nicht beschweren können“, sagte Außenverteidiger Westermann. Aber wieder einmal offenbarten die Schalker ihre eklatanten Defizite vor dem Tor. In nun neun Champions-League-Spielen hat die Mannschaft gerade sechs Tore geschossen.

Als Resultat dieser Schwächen wird das europäische Abenteuer für den FC Schalke wohl am kommenden Mittwoch zu Ende gehen, doch weil der letzte Eindruck bleibt, sogen die Verlierer des Abends aus der zweiten Halbzeit die Hoffnung, beim Rückspiel im Camp Nou doch noch das Wunder zu schaffen. Manager Andreas Müller folgerte aus dem Auftritt nach der Pause: „Wir haben gezeigt, dass sich auch ein solcher Gegner beeindrucken lässt.“ Beeindrucken – ja. Aber auch besiegen? Der FC Barcelona hat in dieser Saison alle Heimspiele in der Champions League gewonnen. „Wir fahren nicht nach Barcelona und sagen: Es ist vorbei. Wir haben schon noch ein bisschen was entgegenzusetzen“, sagte Mirko Slomka. „Ein Treffer kann vieles verändern.“ Ein Treffer, das ist genauso viel, wie der FC Barcelona in allen bisherigen Heimspielen kassiert hat.

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