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Luis Enrique und Pep Guardiola (rechts) 2005 beim FC Barcelona.

© Imago

FC Bayern beim FC Barcelona: Pep Guardiola spielt gegen seine alte Liebe

Vor dem Halbfinale des FC Bayern München in Barcelona muss Pep Guardiola erst einmal seine Sentimentalität besiegen.

Wenn Pep Guardiola nicht ohnehin schon so etwas wie ein perfekter Botschafter für Barcelona wäre, hätte der Tourismusverband ihn spätestens jetzt verpflichten müssen. Weil sich beim FC Bayern seit eineinhalb Wochen, seit der Auslosung des Champions-League-Halbfinales, alles um das Duell mit dem früheren Klub des Münchner Trainers dreht, vergeht keine Pressekonferenz, auf der Guardiola nicht irgendetwas über seine Heimat zu sagen hat. Einmal ging es ausnahmsweise nicht um den Verein FC Barcelona, sondern um die Stadt. Guardiolas Augen leuchteten, es spiegelte sich darin die ganze Sehnsucht eines im Exil befindlichen Katalanen. „Sehr, sehr schön“ sei es dort.

Er sagte das vielleicht auch ein bisschen zu sich selbst. An diesem Dienstagmittag, einen Tag vor dem ersten Halbfinalspiel, kehrt er zurück, mit dem FC Bayern. Er wird altbekannte Gesichter sehen, aber vielleicht auch solche, die er noch nicht kennt. Weil es eben schon drei Jahre her ist, seit er dort das letzte Mal als Trainer auftrat. „Natürlich speziell“ sei das Duell seines aktuellen Teams mit jenem, das auf ewig in seinem Herzen verankert sein wird. Aber das sei nicht wichtig, sagt er, „ich bin jetzt Trainer in München. Ich muss meine Mannschaft davon überzeugen, was zu tun ist.“ Nur keine Sentimentalitäten aufkommen lassen.

Aber Fan des FC Barcelona ist er trotzdem noch. Neulich war Guardiola zum ersten Mal seit langer Zeit mal wieder bei einem Spiel der Katalanen. Im Achtelfinale gegen Manchester City hatte er sich mitten unters Volk gesetzt, nicht zu den Verantwortlichen des Klubs auf die Ehrentribüne. Guardiola ist kein Freund der derzeitigen Führung. Es seien nach seinem Abschied „zu viele Dinge geschehen, in denen sie die Linie überschritten haben“, sagte er.

Aber mit der Mannschaft hat das nichts zu tun. Er soll, so ist zu lesen gewesen, bei jeder gelungenen Aktion gejubelt, die Partie seiner ehemaligen Spieler von der Tribüne aus so temperamentvoll verfolgt haben, wie die des FC Bayern Woche für Woche von der Trainerbank aus. Außerdem muss ihn als Liebhaber des schönen Spiels ja begeistern, was sein früheres Team derzeit auf dem Platz zeigt. „Barcelona ist die beste Mannschaft in Europa“, schwärmt er und klingt dabei so, als ob er noch immer der Trainer dieser besten Mannschaft sei.

Guardiola verfolgt Barcelonas Spiele noch sehr temperamentvoll

Die Katalanen spielen unter Trainer Luis Enrique, der einst Teamkollege von Guardiola gewesen war und später mit ihm im Nachwuchs von Barça gearbeitet hatte, etwas anders als früher. Sie haben sich neu erfunden, erfinden müssen, weil die Pep-Matrix entschlüsselt worden war, am deutlichsten und schmerzhaftesten vom FC Bayern im Halbfinale 2013. Als Guardiola in New York ein Urlaubsjahr eingelegt und Kräfte gesammelt hatte für seinen neuen Job in München, gewann der deutsche Rekordmeister 4:0 und 3:0.

Dieses vielbeachtete 7:0 unter seinem Vorgänger Jupp Heynckes ist nun für Guardiola der Gradmesser. In Barcelona hatte er in drei Jahren sagenhafte 14 Titel gewonnen, beim FC Bayern sind es kurz vor Ende seiner zweiten Saison fünf. Wenn man seine erste Station zugrunde legt, muss man sagen: nur fünf. Anders als 2013 sind die Bayern vor diesem Halbfinale nicht in bester Verfassung, personell dezimiert und psychisch leicht angeschlagen nach dem Aus im Pokal-Halbfinale gegen Dortmund. Die spanische Presse hat deshalb Nervosität beim Gegner ausgemacht. „Guardiola ist nicht mehr der, den wir kennen. Er ist unruhiger als je zuvor“, schrieb die Zeitung „Sport“.

Bei einem Ausscheiden würde Guardiola an Strahlkraft einbüßen

„Das Momentum“, gibt Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer zu, „spricht für Barcelona.“ Aber der Teamgeist, die Mentalität nicht gegen die Bayern. Sie haben schon oft bewiesen, dass sie zu Höchstleistungen fähig sind, wenn es darauf ankommt. „Ich traue uns alles zu“, sagt Thomas Müller.

Es mag nicht um die Dominanz in Europa gehen, da redet Titelverteidiger Real Madrid auch noch ein Wörtchen mit, aber es fällt in diesem Halbfinale eine Vorentscheidung, auch was das Wirken von Guardiola in München betrifft. Er hat das Spiel des FC Bayern weiterentwickelt, er hat es flexibler gemacht, aber auf höchstem europäischem Niveau fehlt noch die Reifeprüfung. Seine nahe Zukunft hängt vom Erreichen des Finales am 6. Juni in Berlin vermutlich nicht ab, aber der 44-Jährige würde Strahlkraft einbüßen, wenn es schiefgeht. Der Sockel, auf den er in Barcelona und bei seinem Amtsantritt in München gehoben wurde, ist enorm hoch. Ob er vielleicht zu hoch ist, das stellt sich an diesem Mittwoch heraus. Und sechs Tage später beim Rückspiel in München.

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