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Sport: Champions League: Sheriff Tiraspol statt Manchester United

Noch hängt kein Wimpel vom FC Sheriff Tiraspol an den weißen Wänden des Hauptquartiers in der Säbener Straße und auch keiner vom FK Sloga Jugomagnat. Doch es geht Angst um bei den Bayern, dass sich zu den Bannern der Reals, Manchesters und Mailands bald die grellen Farben eben jener Vereine gesellen, die im Schatten der Champions League im Uefa-Pokal spielen.

Noch hängt kein Wimpel vom FC Sheriff Tiraspol an den weißen Wänden des Hauptquartiers in der Säbener Straße und auch keiner vom FK Sloga Jugomagnat. Doch es geht Angst um bei den Bayern, dass sich zu den Bannern der Reals, Manchesters und Mailands bald die grellen Farben eben jener Vereine gesellen, die im Schatten der Champions League im Uefa-Pokal spielen. In jenem Pokal, den Franz Beckenbauer vor nicht allzu langer Zeit als "Loser-Cup" verspottete. "Wir müssen schauen, dass wir nicht ganz rausfallen", sagte Beckenbauer nach der erneut höchst durchschnittlichen Darbietung des Meisters beim 2:2 gegen Werder Bremen. Steht Bayern demnächst draußen, wenn sich Europas Elite trifft? "München ohne Champions League - das wäre undenkbar", sagt Thomas Linke, doch die Tabelle zeigt, dass er sich mit dem Gedanken anfreunden sollte. Rang vier heißt die Wahrheit, und das ist nicht genug.

"Platz zwei" hatte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zuletzt gefordert. Und es klang schon überraschend, dass bei dem verwöhnten Serienmeister etwas anderes als der Spitzenplatz überhaupt geduldet wurde. Zuletzt korrigierte die Führungsriege das Ziel nach unten. Platz drei, und damit ein Platz in der Qualifikation zur Champions League, habe es bitteschön zu sein. Nun aber hat der Meister sich in eine missliche Lage katapultiert, die ihn abhängig macht von Mannschaften wie Bremen, Nürnberg, Hertha und Wolfsburg. Dies nämlich sind die letzten Gegner von Schalke, dem Konkurrenten um Rang drei. Lösen die Gelsenkirchener alle Aufgaben, ist der sportliche Super-GAU für Bayern nicht mehr abzuwenden.

Manche suchen die Gründe für den schleichenden Effizienzverlust des Bayernspiels darin, dass sie das Glück, der einst so verlässliche Verbündete, verlassen hat. "Wie oft haben wir in den letzten Minuten ein Tor geschossen", fragte Beckenbauer nach dem Bremen-Spiel, "jetzt haben es die anderen halt mal gemacht." Doch die Gründe liegen tiefer, das weiß keiner besser als Beckenbauer, der zu den leidenschaftlichsten Verächtern der fußballerischen Hausmannskost zählt, die die Roten zuletzt boten. Schon in den letzten Jahren fielen die Bayern nicht durch ästhetisch hochwertigen Fußball auf. Erfolg garantierte lediglich der ewige Wille, mit dem man fußballerisch Bessere entnervte. Gegen Teams wie Rostock, Hamburg und eben Bremen fällt es den Bayern augenscheinlich schwer, diesen Ehrgeiz aufzubringen. "Man muss den Erfolg in jeder Sekunde zu hundert Prozent wollen", sagte Torwart Oliver Kahn kürzlich, als ihm aufgefallen war, dass sich bei einigen eine latente Liga-Müdigkeit breit gemacht hatte.

Die Vokabel Worst-Case geht um, dem schlimmsten Fall. Tritt er ein, wird er die Bayern einiges kosten. Rund dreißig Millionen Euro hat die Uefa für die diesjährigen Champions-League-Auftritte bereits auf das Bayern-Konto überwiesen und in den letzten Jahren hätte sie hierfür einen Dauerauftrag einrichten können. Seit der Saison 1997/98 waren die Bayern Dauergast im Viertelfinale. Vor dem Hintergrund des wankenden TV-Geld-Postens dürfte der Verzicht auf die prächtigen Prämien besonders schmerzen. Auch wenn Uli Hoeneß angewidert ist von Aussagen, die die wirtschaftliche Unverletzlichkeit der Bayern AG infrage stellen: "Finanziell könnten wir fünf Jahre Uefa-Cup überleben", sagte der Manager auf die Frage, ob Platz vier nun große finanzielle Löcher ins Bayern-Sparbuch reiße. Vor Wochen noch hatte er von einer Katastrophe gesprochen, für den Fall, dass die Bayern nicht in die Champions League kommen.

Beschäftigen müsste man sich nun auch mit dem drohenden Renommeeverlust. Nur die Titelverteidigung der Champions-League garantierte die neuerliche Qualifikation. Der Druck wächst vor dem Viertelfinal-Rückspiel in Madrid. Noch will sich niemand ausmalen, was ist, wenn die Nobelmarke FC Bayern bald im Lostopf für den Europacup zweiter Klasse landet. Noch äußern sie Zuversicht, doch manchmal klingt es, als seien sie mehr vom Selbstzweck getrieben als von echter Überzeugung. Wenn man die restlichen vier Liga-Spiele gewinne, sagt Stefan Effenberg, "bin ich sicher, dass die Champions-League wieder erreicht wird". Er spricht nicht in der Wir-Form, denn er wird nicht mehr dazu gehören zum Deisler-Ballack-FC-Bayern des nächsten Jahres. Immerhin muss er dann nicht gegen Tiraspol oder Jugomagnat antreten.

Daniel Pontzen

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