zum Hauptinhalt
Der Ferrari unter Schwedens Sportlern. Zlatan Ibrahimovic spielt für Paris St. Germain und ist doch immer noch der Junge aus dem Osten Malmös. Foto: dpa/Tesson

© dpa

Champions League: Zlatan Ibrahimovic: Der Junge aus Rosengård

Zlatan Ibrahimovic kehrt mit Paris St. Germain nach Malmö zurück – er wuchs in einer Vorort-Wohnburg auf, die sein Wesen bis heute prägt.

Am Mittwoch wird das Chaos die Macht übernehmen. Mitten in Malmö, auf dem größten Platz der Stadt, er heißt passenderweise Stortorget, großer Platz. Direkt vor dem Rathaus im Renaissancestil und der Reiterstatue von König Karl X. Gustav werden die Menschen sich drängen und grölen und Bier trinken, „überall wird Chaos sein“, sagt Zlatan Ibrahimovic, aber er klingt dabei nicht gerade besorgt. Ibrahimovic hat den Ausnahmezustand selbst organisiert. Ein großes Fest mit Public Viewing für seine Fans, und davon gibt es reichlich in Malmö.

"Ich will dafür sorgen, dass ganz Malmö dieses Spiel sehen kann"

Am Mittwoch gastiert Schwedens bester Fußballspieler mit seinem Klub Paris St. Germain nach 14 Jahren zum ersten Mal dort, wo alles begann. Die 21 000 Karten für das Champions-League-Spiel bei Malmö FF sind längst ausverkauft. „Aber dieses Spiel gehört ganz Malmö“, sagt Ibrahimovic, „und ich will dafür sorgen, dass ganz Malmö dieses Spiel sehen kann.“ Also hat er den Stortorget gemietet und damit die schönste Kulisse, die Malmö zu bieten hat. Und das ist ein bemerkenswerter Kontrast zu dem Malmö, in dem Ibrahimovic aufgewachsen ist.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Streng genommen kommt er gar nicht aus Malmö, sondern aus Rosengård. Einer Großwohnsiedlung im Osten der Stadt, in dem nicht Fachwerkhäuser das Bild prägen, sondern immer gleiche Fassaden von Wohnburgen aus den frühen Siebzigern. 25 000 Einwohner, 90 Prozent mit Migrationshintergrund, in ihrer überwiegenden Mehrheit Muslime. Viele aus dem ehemaligen Jugoslawien wie Ibrahimovic, sein Vater kommt aus Bosnien, seine Mutter aus Kroatien. In seiner Biographie „Ich bin Zlatan“ schreibt Ibrahimovic: „Malmö lag vielleicht in der Nähe, aber es war eine andere Welt.“ Und: „Bei uns herrschten Bierdosen, Jugomusik, leere Kühlschränke und der Balkankrieg.“

Den Jungen aus Rosengård hat Ibrahimovic nie verleugnet

Auf einem Foto posiert er vor einer Unterführung mit seinem selbst gedichteten Aphorismus, der dort in großen Buchstaben verewigt ist: „Man kann einen Jungen aus Rosengård herausholen, aber niemals Rosengård aus einem Jungen.“ Bei Malmö FF steht er mehrmals vor dem Rauswurf, weil er den Ball nicht abgeben will, sich mit Mitspielern prügelt und dem Trainer das Rad klaut. Jahre später wird er mal von einem Reporter nach einem Spiel gefragt, woher die Kratzer in seinem Gesicht kommen. Ibrahimovic antwortet: „Fragen Sie doch mal Ihre Frau!“ In Barcelona legt er sich mit Pep Guardiola an, dem er vorhält, dass er „mit mir einen Ferrari gekauft hat und ihn wie einen Fiat fährt“. Am Ende droht er damit, dem Trainer bei Gelegenheit eine runterzuhauen. Nein, den Jungen aus Rosengård hat er nie verleugnet.

Im Banne des Z. Ein Hochhaus in Malmö ist zu Ibrahimovics Ehren mit seinem erleuchteten Initial geschmückt.
Im Banne des Z. Ein Hochhaus in Malmö ist zu Ibrahimovics Ehren mit seinem erleuchteten Initial geschmückt.

© AFP

Im Jahr 2009, Ibrahimovic hat gerade den Dienst in Barcelona angetreten, veröffentlichte der schwedische Wissenschaftler Christoffer Hernestig Pettersson die Rosengård-Studie, es geht um Radikalisierung und islamistische Tendenzen im Osten Malmös. In Kellermoscheen würden Gewalt verherrlichende Botschaften verbreitet, heißt es in der Studie. Und: „Eine kleine Zahl von Extremisten bekommt immer mehr Macht über immer mehr Menschen.“ Das klingt sehr nach den Problemen, wie sie auch in Paris herrschen, wo Malmös populärster Sohn seit drei Jahren sein Geld verdient. Die Franzosen nennen ihre Rosengårds Banlieus.

Zlatan Ibrahimovic ist auf Länderspielreise, als am 13. November 2015 der Terror über Paris kommt. Einen Tag später hat er mit der schwedischen Nationalmannschaft in Stockholm gegen Dänemark anzutreten. Er schießt eines der beiden Tore zum 2:1-Sieg und zwei weitere zum 2:2 im Rückspiel drei Tage später in Kopenhagen. Damit ist Schweden für die Europameisterschaft 2016 qualifiziert. Für den 34 Jahre alten Ibrahimovic wird es wohl das letzte große Turnier sein, aber seine Freude über das Besteigen dieser Bühne fällt verhalten aus. Unter den 130 Todesopfern von Paris sind auch die Inhaber des Restaurants „Chez Livio“ in Neuilly, zu dessen Stammgästen Zlatan Ibrahimovic zählt. Er spricht vom allgegenwärtigen Schmerz, „ich bin in Gedanken bei den Menschen, die ihr Leben verloren haben und bei deren Familien, es ist nicht leicht, sich auf den Fußball zu konzentrieren“.

Wahrscheinlich gibt es für ihn keine bessere Ablenkung als das Spiel am Mittwoch in Malmö. Er hat spezielle Erinnerungsshirts drucken lassen, „obwohl ich nicht glaube, dass das Risiko existiert, dass ich sie je vergessen werde“. Die Einnahmen gehen alle an eine Stiftung, die sich um Jugendliche in Rosengård kümmert, „damit dort die nächsten Zlatans heranwachsen“. Vor ein paar Jahren schon hat er Rosengård einen Bolzplatz spendiert, er liegt vor seinem alten Wohnhaus und trägt standesgemäß den Namen „Zlatancourt“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false