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Chelsea

© AFP

Chelsea: Abschied vom Glauben

Der FC Chelsea zweifelt an seiner eigenen Stärke und an Trainer Avram Grant.

Düster sah Avram Grants Gesicht aus, was wohl auch an dem merkwürdig schummrigen Licht im Pressesaal von Old Trafford lag. Hausherr Sir Alex Ferguson, der Trainer von Manchester United, sieht sich ja schon seit ein paar Jahren nicht mehr genötigt, nach Partien Rede und Antwort zu stehen; vielleicht will man deswegen einfach ein bisschen Strom sparen. Sollen die Gästetrainer eben selber glänzen. Grant, 52, aber saß mit geduckten Schultern tief hinter dem kleinen Podest, als müsste er sich vor etwas schützen. Tatsächlich prasselten die verbalen Attacken der Journalisten wie erwartet auf ihn nieder, er konnte nur ausweichen oder halbherzig parieren, für eine Gegenoffensive fehlten ihm die Waffen. Der FC Chelsea hatte das Spitzenspiel in der Premier League 0:2 verloren, etwas unglücklich vielleicht, aber auch verdient.

Grant sprach die Fehler von Schiedsrichter Mike Dean an, „komisch“ seien diese gewesen, grummelte er, sie hätten das Resultat beeinflusst. Das konnte man nach einem unberechtigten Elfmeter für Manchester United und einer zweifelhaften Roten Karte für Chelseas nigerianischen Mittelfeldspieler John Obi Mikel so sehen. Aber die Diskussion konnte nicht von der eigentlichen Erkenntnis des Nachmittags ablenken. Der schier fundamentalistische Glaube an die eigene Größe und den Erfolgsanspruch hat sich mit dem gefeuerten Vorgänger Jose Mourinho aus der Chelsea-Kabine verabschiedet.

Grant, auf und neben dem Platz ein vorsichtiger Taktierer, schraubte nach der Niederlage gegen den Meister sogleich subtil die Saisonziele herunter. „Wir werden unser Bestes geben und können noch die Liga gewinnen“, sagte er, allerdings ohne Überzeugung in der Stimme. Chelsea steht auf Platz sechs, hat fünf Punkte Rückstand auf Tabellenführer Arsenal und einen Trainer, der von den eigenen Fans als Clown gesehen wird. „Setzt ihm eine rote Pappnase auf“, brüllte ein Anhänger der Blauen am Wochenende in die Kamera.

Der Israeli steht mit seinem Touristenenglisch nach nur einer Partie auf ziemlich verlorenem Posten. Die mitgereisten Fans ließen am Sonntag erst Mourinho und dann Kotrainer Steve Clarke hochleben. Die britischen Medien halten Grant nicht ganz zu Unrecht für unterqualifiziert für den Job; er gilt als Marionette von Eigentümer Roman Abramowitsch, der die Fäden jederzeit kappen kann. In Manchester saß der holländische Nationaltrainer Marco van Basten hinter Abramowitsch auf der VIP-Tribüne, prompt wird er als neuester Kandidat gehandelt.

In der Zwischenzeit steht jede von Grants Entscheidung im Verdacht, politisch zu sein. „Wenn ich Andrej Schewtschenko spielen lasse, heißt es, der Eigentümer will es so. Wenn ich ihn auswechsle, heißt es, ich will damit meine Unabhängigkeit beweisen“, knurrte Grant. Aus dieser Falle kommt er nur mit Siegen hinaus. Neue Trainer bringen in der Regel Schwung und Optimismus, nicht selten sind die ersten Jahre ihre besten. Grant aber steht in der Defensive. Er hat keine Strategie, keinen Plan, man spürt das. „Alles ging ja so schnell“, sagte er. Wer so viel verteidigen muss, wird nicht viel gewinnen können.

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