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Sport: CHI: Weltrekord im Schnee

Renometto blickt auf seine Kollegen herab. Nicht, dass er hochnäsig wäre, er hat einfach eine stattliche Größe.

Renometto blickt auf seine Kollegen herab. Nicht, dass er hochnäsig wäre, er hat einfach eine stattliche Größe. 1,90 Meter misst der Holsteiner Wallach, ein Idealmaß. Die Konkurrenz ist streckenweise zehn bis zwanzig Zentimeter kleiner. Renometto muss für das Mächtigkeitsspringen, den Hochsprung für Pferde, nicht einmal trainieren. Er hat es nicht nötig, schließlich hält er den Weltrekord. "Renometto hat ein unglaubliches Sprungvermögen, er weicht auch nicht aus, wenn er über die Mauer muss", erzählt sein Reiter René Tebbel.

Der 31-jährige Emsbürener war 1990 mit der Mannschaft Vizeweltmeister und in diesem Jahr Dritter im Weltcupfinale - auf dem Normalparcours. Nur dort gibt es Goldmedaillen zu gewinnen, der sportliche Wert des Mächtigkeitsspringens ist gering. Längst nicht alle Springreiter melden auch für den Hochsprung, der sehr anstrengend für die Tiere ist. Sie haben nicht das richtige Pferd - Tebbel hat Renometto: An die zehn Mal waren die beiden in dieser Disziplin siegreich. Heute abend sind sie beim Mächtigkeitsspringen des CHI zu sehen.

Im ersten Durchgang sind vier Hindernisse zu überwinden - Steilsprung, Oxer, Triplebarre (drei Stangen direkt hintereinander) und Mauer. Das ist das Aufwärmprogramm, "die Pferde sollen langsam herangeführt werden", sagt Tebbel. Steilsprung und Oxer werden anschließend abgebaut. Von Runde zu Runde wird die Triplebarre ein paar Zentimeter höher und ein Stück breiter. Und die Mauer wächst. Zunächst ist sie mit 1,80 Meter wenigstens noch kleiner als Renometto. Beim zweiten Durchgang muss der Wallach schon einen Satz über zwei Meter machen. Danach werden pro Runde zehn Zentimeter draufgelegt - bis der Sieger feststeht. Normalerweise, sagt Tebbel, packen von 12 bis 14 Reitern zehn die ersten vier Hindernisse, dann fallen immer mehr aus. 2,10 Meter ist die kritische Höhe, "da kristallisieren sich die Unterschiede heraus."

Menschen haben im Hochsprung pro Höhe drei Versuche, Pferde müssen von Anfang an auf Risiko springen: Anlauf und Zeitpunkt des Absprungs neu zu berechnen, ist nicht möglich. Es gibt pro Höhe nur einen Versuch. Wenn schon der erste Sprung in die Mauer geht statt darüber, ist der Wettbewerb für das Paar beendet. Damit das nicht passiert, ist der Reiter gefordert. "Die Pferde müssen sich auf ihn verlassen können, dass er sie über die Mauer bringt. Und sie müssen selbst davon überzeugt sein, dass sie das schaffen", erklärt Tebbel. Sind sie es nicht, verweigern sie vor dem Hindernis, das teils mehr als einen halben Meter höher ist als im Schnitt auf einem Normalparcours. Oder sie laufen daran vorbei.

Renometto hat bisher nichts dergleichen getan. Er hat keine Angst vor Hindernissen, ist sie - wenn auch niedriger - von normalen Springturnieren gewohnt. Auch die hat er schon gewonnen, beispielsweise in Borken. Im Mächtigkeitsspringen gelang ihm 1998 in Kössen in Österreich ein Weltrekord-Satz. 2,27 Meter schaffte er, auf Schnee. Die Bestleistung gilt noch immer. Zum Vergleich: Wolfgang Kreißig, der beste deutsche Hochspringer bei den Olympischen Spielen in Sydney, brachte es auf ganze zwei Zentimeter mehr. Der Weltrekord von Javier Sotomayor liegt zwar bei 2,45 Meter. Aber der Kubaner ist mit 1,95 Meter auch fünf Zentimeter länger als Renometto. Er sprang nicht über eine Mauer, sondern über eine Stange. Und Renometto hat, im Gegensatz zum Menschen, keine Chance, das Hindernis rückwärts fliegend zu überwinden, mit gekrümmtem Rücken. Der Fosbury-Flop für Pferde muss erst noch erfunden werden.

Helen Ruwald

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