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Gross

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Christian Gross: Kantiger Kopf mit positiven Gedanken

Trainer Gross tritt beim VfB einen schweren Job an. Obwohl Gross in der Schweiz mit Grasshopper Zürich und dem FC Basel sechs Meistertitel und viermal die Qualifikation für die Champions League vorweisen kann, hat er aber auch als Abstiegskämpfer Erfahrung.

Man musste ihn nicht einmal anschauen, um zu erfahren, wann Christian Gross lächelte, sich übers Kinn strich oder am Ohr zupfte. Immer, wenn er das tat, klickten die Kameras der Fotografen. Ein Foto mit einer Gefühlsregung des 55 Jahre alten Schweizers schien so wertvoll wie die Aufnahme einer Sonnenfinsternis, die nur alle paar Jahrzehnte stattfindet. Gross, der als kompromissloser Trainer gilt, der keinen Widerspruch duldet, präsentierte sich an seinem zweiten Arbeitstag beim VfB Stuttgart überraschend gut gelaunt.

Das markante, kantige Gesicht des Schweizers und sein kahles Haupt passen allerdings derzeit bestens zum Aufgabengebiet und ins Job-Profil des Gegen-Babbel in Stuttgart. Der neue Trainer soll eine verunsicherte Mannschaft und den in Turbulenzen gerateten Verein wieder auf Kurs bringen. „Ich habe die Mannschaft gespürt“, sagte Gross nach den ersten Trainingseindrücken. Zumindest an einer Entscheidung seines Vorgängers wird Gross festhalten: Matthieu Delpierre bleibt Mannschaftskapitän. Markus Babbel hatte Thomas Hitzlsperger dieses Amt kürzlich entzogen.

Obwohl Gross in der Schweiz mit Grasshopper Zürich und dem FC Basel sechs Meistertitel und viermal die Qualifikation für die Champions League vorweisen kann, hat er auch als Abstiegskämpfer Erfahrung. Seine erste Station im Ausland, eine Rettungsmission für Tottenham Hotspur in London, endete nicht mit Jubelstürmern. Als er von Tottenham verpflichtet wurde, stand der Klub mit nur 13 Punkten nach 15 Spielen da. Gross schaffte den Klassenerhalt – und wurde später trotzdem gefeuert. „Swiss-Army-Coach“ war einer der wenig schmeichelhaften Kosenamen, die ihm die britische Presse verpasste, er fühlte sich ungerecht behandelt. Jürgen Klinsmann spielte damals dort, die beiden sollen keine Freunde gewesen sein. Die aktuelle Bilanz der Stuttgarter klingt ähnlich bedrohlich wie die von Tottenham: Der VfB weist elf Punkte nach 14 Ligaspielen auf.

Beim FC Barcelona war Gross zwar nie Trainer, aber er fühlt sich der Art seines Kollegen Josep Guardiola offenbar nahe, was ebenso prächtig zum Job beim Patienten in Stuttgart passt. Dort hat man dem entlassenen Markus Babbel am Ende vorgeworfen, ein Team ohne ausreichend Disziplin nicht mehr in den Griff zu bekommen. „In Barcelona hat man den Stars alle Extras gestrichen. Der Teamgedanke ist dort tief verwurzelt“, sagte Gross. Begriffe wie Leidenschaft und Begeisterung liebt er offensichtlich, vor seinem ersten Spiel am Mittwoch gegen Unirea Urziceni benutzt er sie oft. „Der Nicht-Abstieg steht über allem“, sagte er. „Aber wenn wir das Achtelfinale in der Champions League schaffen, erhoffe ich mir Schwung.“ Vorerst kommt es beim VfB aber auf nüchterne Ergebnisse an, der künstlerische Wert ist Nebensache.

„Der Funke muss vom Team auf die Zuschauer überspringen“, forderte Gross. Nach dem 1:1 gegen Bochum hatte es in Stuttgart Ausschreitungen wütender Fans gegeben. „Ich habe viele positive Gedanken in mir, das wünsche ich mir auch von den Zuschauern“, sagte Gross. Der neue Trainer lächelte in dem Moment wieder und hatte auch noch ein gutes Wort für zwei Schweizer Landsleute übrig, die die Bundesliga kürzlich verlassen haben. Marcel Koller (in Bochum entlassen) sei sein Assistent in Basel gewesen, Lucien Favre (bei Hertha entlassen) schätze er. „In der Schweiz wird gute Arbeit geleistet“, sagte Gross. „Die U 17 ist Weltmeister geworden.“ Beim VfB wären sie bereits froh, wenn sie nichts mehr mit dem Abstieg zu tun hätten.

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