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Provinzfürst. Daum möchte in der Europa League weiter für Aufsehen sorgen.Foto: dapd

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Christoph Daum: Brügge als Bühne

Christoph Daum will gegen Hannover beeindrucken.

Der Besuch am Jan-Breydel-Stadion ist spärlich an diesem Vormittag. Ein Journalist und eine belgische Kleinfamilie schauen zu, wie Christoph Daum einen seiner zahlreichen Assistenten das Training des FC Brügge auf dem Kunstrasenplatz leiten lässt. Dann ist Mittagspause, der deutsche Ober-Übungsleiter gibt dem Assistenten auf Englisch noch ein paar zackige Aufträge – und nun sind die drei Zaungäste an der Reihe. Der Papa, mit Baby auf dem Arm, baut sich stolz neben Daum auf. Die Mama knipst, das Baby weint – und Daum streicht dem Kleinen mit dem Zeigefinger über die Wange und sagt: „Ist ja auch zu kalt hier.“

Vor allem aber ist es nach dem Geschmack des 58-Jährigen offensichtlich zu provinziell in Brügge, wo er seit November untergekommen ist. Daum, der Titel in Deutschland, Österreich und der Türkei gewonnen hat, muss aber seit seinem Zwei-Monate-Engagement in Frankfurt im Frühjahr 2011 auch mit dem Makel „Abstiegscoach“ leben. Also preist Daum die malerische 117 000-Einwohner-Stadt in Westflandern wie das achte Weltwunder, als wäre er nicht beim 13-maligen Belgischen Meister, sondern beim örtlichen Tourismusbüro angestellt. Er sagt dabei Daum’sche Sätze wie: „Einmal Brügge sehen und sich in die Stadt verlieben.“ Doch wenn er über den Verein spricht, schwingt Skepsis in jeder Silbe mit. Auch wenn er Brügge heute (21.05 Uhr, live bei Kabel1) und beim Rückspiel in der nächsten Woche gegen Hannover ins Achtelfinale der Europa League führen soll.

So erzählt Christoph Daum von seinem Auftrag, den Klub „in eine, für belgische Verhältnisse, Spitzenposition zu bringen“. Er bezeichnet die „unglaublich vielen Veränderungen“, die der FC Brügge im letzten Jahr angeschoben hat, als „fast schon revolutionär für den belgischen Fußball“. Oder er spricht über den Transfer des Marokkaners Nabil Dirar, der vor zwei Wochen für 7,5 Millionen Euro von Brügge, aktuell Zweiter in Belgien, zum AS Monaco, Vorletzter in der zweiten französischen Liga, wechselte. „In finanzieller Hinsicht verstehe ich den Verein. Aber aus sportlicher Sicht versteht mich der Klub hoffentlich auch“, formuliert Daum seinen Frust darüber, dass Spielertransfers nahezu komplett in den Machtbereich des Managements fallen. „Mit Dirar habe ich einen Schlüsselspieler verloren“, klagt Daum. „Wir werden permanent ein aufbauender und abgebender Verein sein.“

Daum wohnt im mittelalterlichen Zentrum von Brügge und lässt sich jeden Morgen vom Bimmeln des berühmten Belfried-Glockenturms wecken. Eine „Puppenstadt“, nennt er Brügge. Und fürs Erste tut Daum so, als wolle er trotz aller Sorgen bis an sein Lebensende hier trainieren. Und als denke er nicht mehr an seinen Traum, einen Klub in der englischen Premier League oder ein Nationalteam bei einem großen Turnier zu coachen. Solche Gedanken, hat er gemerkt, kommen bei seinem Arbeitgeber nicht gut an.

Unklug sei es gewesen, sagt Daum, über WM- oder Premier-League-Träume öffentlich zu sprechen. Und vermeldet brav: „Brügge ist mein Zuhause, meine Aufgabe, meine Herausforderung.“ Das klingt immer noch mehr nach Boxenstopp als nach tiefer Überzeugung – auch wenn der Klub seit seinem Amtsantritt in der heimischen Liga vom vierten auf den zweiten Platz kletterte und in einer schweren Europa-League-Gruppe Erster wurde. „Da hat meine Mannschaft ein Riesenausrufezeichen gesetzt“, protzt Daum, der mit einem Erfolg gegen Hannover nur zu gerne sein lädiertes Ansehen in der Heimat aufpolieren würde. „Wir gehen langsam Schritt für Schritt nach oben“, sagt Daum, als würde er nicht über die Mannschaft reden, sondern über sich und seine Rückkehr auf die große Fußballbühne.

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