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Sport: Cleverness schlägt Dynamit

Boxweltmeister Sven Ottke bezwingt starken Dänen und lauert auf einen Vereinigungskampf

Nürnberg. Sven Ottke vollbrachte ein akrobatisches Kunststück: „Ich musste ordentlich zittern, ordentlich rennen. Hände hoch, Beine in die Hand.“ Nur ein Phantom, wie der filigrane Flitzer mit den flinken Fäusten genannt wird, kann sich so fantasievoll der Gefahr entziehen. Ein Feuerwerk mit dänischem Dynamit habe Rudy Markussen anfangs abgebrannt und den deutschen Boxweltmeister im Supermittelgewicht (IBF-Version) ganz schön in die Bredouille gebracht. Doch nach vier Runden hatte der routinierte Titelverteidiger den zehn Jahre jüngeren Draufgänger unter Kontrolle, erhielt mit dreimal 116:112 Punkten den einstimmigen Sieg, hatte damit seinen 29. Profikampf gewonnen und den Titel zum 16. Mal erfolgreich verteidigt.

Sven Ottke hatte dennoch wieder einmal seine Schlauheit und Schnelligkeit, seine Strategie und sein Stehvermögen demonstriert, einen Kampf cool und clever über die zwölf Runden zu bringen. „Boxen vom Feinsten", nannte Ottke die unterhaltsame Dreiviertelstunde und machte damit auch seinem schlagstarken Gegner ein Kompliment. Von dem ästhetischen und dennoch aktionsgeladenen Kampf waren die knapp 6000 Zuschauer in der Arena Nürnberg begeistert. Der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm schwärmte von der feinmechanischen Arbeitsweise des 35-jährigen Champions: „Ein Fechter und kein Holzfäller. Einer, der hart ficht und nicht streichelt." Rudy Markussen (25), der ein bisschen aussieht wie der junge Steve McQueen, hatte während der Hymne Sven Ottke keck anvisiert und mit selbstbewusstem Lächeln signalisiert: Warte, Bursche. Dann jagte der muskulöse, kraftstrotzende Herausforderer mit rechten Aufwärtshaken und wilden Schwingern den Weltmeister durch den Ring, freilich gar zu ungestüm. „Ottke war zu schnell. Ich konnte ihn nicht erwischen", sagte der Däne später. Das hatten vor ihm auch ausgebuffte Amerikaner wie Charles Brewer, Thomas Tate oder James Butler vergeblich versucht.

Mit blitzschnellen Dreierkombinationen aus einer dichten Deckung heraus dominierte der Berliner den Dänen, der in der letzten Runde noch einmal alles probierte. So, wie in der ersten Runde. Zum großen Erstaunen Ottkes: „Ich hatte nicht erwartet, dass er so lange durchhält.“ Schließlich hatte sein ausgesuchter, in 27 Kämpfen unbesiegter Herausforderer bisher noch nie über zwölf Runden geboxt. Einmal acht Runden war die längste Distanz. „Mir hat die Erfahrung gefehlt, aber ich habe heute viel gelernt", sagte Markussen.

Noch ein Jahr wird Sven Ottke Spitzenkämpfe bieten. Bis zum 28. Februar 2004 hat die ARD-Attraktion den Vertrag mit Promoter Wilfried Sauerland verlängert. Nächster Termin: 1. März in Stuttgart. Geplant: Vereinigungskampf mit dem WBA-Champion Byron Michtell (USA), einen Boxer des mächtigen Don King. Wenn der Boxzar diese Woche nach Dortmund kommt (zum Kampf seines Schützlings Larry Donald gegen Vitali Klitschko), will Sauerland mit ihm verhandeln. 1,5 Millionen Euro soll Ottke kassieren. Die Alternative wäre die Pflichtverteidigung gegen den Amerikaner Antwun Echols.

Hartmut Scherzer

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