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Comeback in Berlin: Britta Steffen: Weit weg vom Gold

Olympiasiegerin Britta Steffen schwimmt nach langer Pause beim Weltcup in ihrer Heimatstadt Berlin nur hinterher und belegt die Plätze vier und sechs.

Berlin – Die Frau mit ihrer kleinen Nadel kommt nun ja wirklich im dümmsten Moment. Britta Steffen steht auf dem Siegerpodest, um die Hüften ein blaues Handtuch gewickelt und starrt aufs Wasser. Ihr Freund kämpft dort gerade um den Sieg über 200 Meter Freistil, Paul Biedermann, der Doppel-Weltmeister. Und ausgerechnet jetzt kommt die Frau, die ihr ins Ohrläppchen sticht, um Blut für den Laktattest zu nehmen. Britta Steffen beugt sich hastig zu ihr, dann starrt sie wieder auf den Pool. Biedermann gewinnt am Sonntag beim Kurzbahn-Weltcup in Berlin in 1:44,38 Minuten. „Puh, bin ich erleichtert“, sagt sie dann.

Wenigstens ein Sieg. Fünf Minuten zuvor hatte sie selber angeschlagen, mit Oberschenkeln, die wie Feuer brannten und nach 53,45 Sekunden. So lange benötigte sie für 100 Meter Freistil, Platz sechs, mehr war nicht drin. Am Samstag hatte sie noch Platz vier erreicht, diesmal über 50 Meter Freistil. „Über 100 Meter bin ich schlechter platziert als über 50 Meter, obwohl mir die 100 mehr liegen“, sagt sie. So ist das, wenn man 15 Monate Wettkampfpause hinter sich hat. „Platz vier und sechs sind halt kein Gold“, sagt die 26-Jährige. „Aber das ist der Stand, auf dem ich einfach bin.“

Dirk Lange lehnt gegen einen der Stahlpfeiler der provisorischen Tribüne und sagt gelassen: „Ich finde es gut, was sie hier gezeigt hat“, sagt der Bundestrainer. „Man darf nicht vergessen, dass einige ihrer Konkurrentinnen bereits Einsätze im Weltcup hinter sich und damit einen besseren Rhythmus haben.“ Außerdem unterbot Steffen über 50 Meter Freistil mit 24,30 Sekunden bereits im Vorlauf die Norm für die Kurzbahn-EM.

Auf einer Bank direkt neben dem Becker sitzt ihr Trainer Norbert Warnatzsch und sieht ebenfalls die Pflicht erfüllt. „Ich bin zufrieden“, sagt er, „sie hat gezeigt, was man momentan erwarten kann.“ Momentan erwarten kann man, dass ihre Wenden zu langsam sind, ihr Start nicht explosiv genug ist und ihr die bekannte Spritzigkeit fehlt. „Das ist nicht die Britta Steffen, die wir kennen“, sagt Lange.

Oh ja, bestätigt Steffen. Beim Vorlauf über 100 Meter Freistil durchzogen die Schmerzen bereits nach 70 Metern ihren Körper, üblicherweise beginnt die ganz harte Quälerei zehn Meter vor dem Ende. Beim Start hechtet sie noch in Form einer Bogenlampe ins Wasser, erzeugt damit unter Wasser zu viel Widerstand, und Wenden mag sie sowieso nicht.

Kurz: Britta Steffen schwamm so, wie man es erwarten konnte. „Der Weltcup ist eine Standortbestimmung, mehr nicht“, sagt Warnatzsch. Ihren Standort im internationalen Vergleich weiß er jetzt.

Das ist der nüchterne, der analytische Teil. Britta Steffen hat nur einige Mühe, diese Kosten-Nutzen-Rechnung problemlos auch als nüchterne Analyse zu empfinden. „Man muss Lehrgeld bezahlen“, verkündet sie, als müsste sie über Trainingslehre dozieren. Und überhaupt: „Es wäre eine Frechheit, wenn ich nach fünf Wochen Training den anderen davon schwimmen würde.“

Aber der Siegertyp Steffen, die Frau, die Doppel-Weltmeisterin und Doppel-Olympiasiegerin ist, die sich daran gewöhnt hat, dass die Konkurrenz nach ihr anschlägt, die kann das nicht. Nach den 50 Metern Freistil starrte sie auf die Anzeigentafel, entdeckte ihren Namen ungewohnt weit unten und stöhnte: „Ich bin nur Vierte? Das kann doch nicht sein.“ Das konnte sehr gut sein, und das Gefühl, das sie empfand, nachdem ihr das wirklich klar geworden war, das verkündete sie knapp: „Beschissen.“ Wie war das? „Beschissen“, wiederholte sie, damit es nun auch jeder begriffen hatte.

So war’s nun mal, so war ihre Gefühlslage, ganz einfach. Dieser extreme Ehrgeiz steckt ja hinter der ganzen Erfolgsgeschichte der Britta Steffen. Und deshalb konnte Warnatzsch hundert Mal recht haben mit seinem Satz: „Britta, du musst jetzt wieder lernen zu verlieren.“

Der Trainer hat ein anschauliches Bild für seine Pläne. „Das ist wie beim Hausbau. Wir haben die Bodenplatte und den Keller verlegt, und jetzt beginnen wir den ersten Stock hochzuziehen.“ Das erste größere Ziel ist, den ersten Stock fertigzustellen. Übersetzt bedeutet das: Britta Steffen soll bei der Langbahn-WM 2011 in Schanghai in guter Form sein. Rechtzeitig zu den Olympischen Spielen 2012 in London „soll dann der zweite Stock fertiggestellt sein“.

Und dann? Das Dach? „Dann kann es gut sein, dass wir noch ein drittes oder viertes Stockwerk bauen“, sagt Warnatzsch. Britta Steffen, bedeutet das, hat noch einiges vor. Die Aufgaben beim Hausbau sind jedenfalls klar verteilt.

„Sie ist die Hausherrin“, sagt Warnatzsch, „und ich bin der Architekt.“

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