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Freude im Stadion, Protest außerhalb. Selten war der Fußball so politisch wie während des Confed-Cups. Auch der Erfolg der Seleçao (mit Fred und Neymar, v.r.) konnte nicht von den wirklich wichtigen Themen ablenken.

© dpa

Confed-Cup in Brasilien: Rückkehr zu den Sternen

Schon vor dem Finale zwischen Brasilien und Spanien steht fest: Der Confed-Cup hat der Fußballnation den Glauben an die Stärke der eigenen Fußball-Nationalmannschaft wiedergegeben - und hinterlässt das Volk rebellisch und selbstbewusst.

Ein Hochhaus, nur ein paar Meter neben dem Maracana, dem Fußballtempel im Norden von Rio de Janeiro, wo das Finale um den Confed-Cup steigt. Ziemlich weit oben weht eine brasilianische Fahne. Gelbe Raute auf grünem Grund, dazu die Inschrift: Ordem e Progresso. Ordnung und Fortschritt. Wer will schon bestreiten, welch großartige Fortschritte die Brasilianer gemacht haben beim Confed-Cup, dieser Generalprobe für die Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr. Die sechs in den vergangenen Tagen präsentierten Stadien genügen höchsten Ansprüchen. Die Organisation, immer ein heikles Problem bei Generalproben, war annähernd makellos. Und der Fußball? War großartig.

„Es ist der beste Confed-Cup, den wir je veranstaltet haben“, sagt Joseph Blatter. Der Präsident des Weltverbandes Fifa erzählt oft und gern und viel Blödsinn, aber wer wollte ihm diesmal widersprechen? Brasilien hat in den vergangenen Tagen schöne Momente erlebt, bei den Spielen von Italien, Spanien oder Uruguay. Und vor allem bei dem Fußball, den die gastgebenden Brasilianer gezeigt haben. Die Seleçao brasileira, noch vor ein paar Wochen belächelt als taktisch überholte Ansammlung von halbwegs begabten Strandfußballern – diese Mannschaft hat bewiesen, dass sie international wieder wettbewerbsfähig ist, ja bald sogar wieder führend sein kann. Sie steht im Finale gegen den Weltmeister Spanien (0 Uhr, live im ZDF), und der am Fußball interessierte Teil der Welt freut sich auf dieses Duell der berühmtesten Mannschaft des Erdballs.

Ein paar Meter über der brasilianischen Fahne, gleich unterm Dach des Hochhauses am Maracana, weht ein Transparent. Gelbe Buchstaben auf grünem Grund: Fuck Cup!

Auch das gehört zur Ordnung und zum Fortschritt in Brasilien. Selten war der Fußball so politisch wie in diesen Tagen von Brasilien. Das Volk hat sich gefreut über das schöne Spiel seiner Mannschaft, aber es hat dabei nicht vergessen, dass unverhältnismäßig viel Geld in Prestigeveranstaltungen wie den Confed-Cup und die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr investiert wird und eher wenig in Bildung und Gesundheit. Der Confed-Cup 2013 war ein Fest des Fußballs und ein Fest der Demokratie von ganz unten. Und nirgends war das so deutlich zu sehen wie in Rio de Janeiro.

Confed-Cup in Brasilien: Hunderttausende demonstrierten ein neues, für ein gerechteres Brasilien

Hunderttausende demonstrierten hier während des Confed-Cups für ein neues, für ein gerechteres Brasilien. Jetzt ist prominente Unterstützung nach Rio gekommen. Es sind die Nationalspieler, die Senhores Dante oder Alves oder Hulk, alle haben sie ihre Sympathien für die Demonstranten zum Ausdruck gebracht, und jetzt wollen sie gemeinsam die große Party feiern. „Die Spanier sind Weltmeister. Aber wir sind Brasilien und wir spielen im Maracana“, sagt der Offensivmann Oscar, und sein verteidigender Kapitän Thiago Silva verkündet: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir diese großartige Mannschaft schlagen können!“

So eine Ansage hätte noch zu Beginn des Turniers ziemlich lächerlich gewirkt. So wie ja auch den vermeintlich trägen Brasilianern niemand zugetraut hätte, dass sie gegen die Arroganz ihrer Regierenden auf die Straßen ziehen würden, und dann noch in diesen Massen. Der Confed-Cup lässt ein anderes Brasilien zurück. Ein rebellisches, selbstbewusstes Brasilien. Und genau dafür steht auch seine Nationalmannschaft.

Ohne Scolari wäre der Confed-Cup wahrscheinlich ein Desaster geworden

Es ist noch gar nicht so lange her, da tapste diese Mannschaft unsicher durch das Niemandsland, das sich jedem WM-Gastgeber auftut, weil ihm qua automatischer Qualifikation die Ausscheidungsspiele fehlen. Brasilien lebte von seinem Ruf und seiner Vergangenheit. Wahrscheinlich wäre der Confed-Cup ein Desaster geworden ohne die ordnende Hand von Luiz Felipe Scolari, den sie in Brasilien alle nur Felipao nennen, den großen Felipe. Scolari hat die Nationalmannschaft im vergangenen November übernommen und zur WM-Generalprobe ganz bewusst verzichtet auf die alte Nomenklatura, auf gealterte Weltstars wie Ronaldinho oder Kaka. Er will ein neues Brasilien auf den Fußballplatz bringen.

Ein schönes Beispiel dafür ist der Mittelfeldspieler Bernard Anicio Caldeira Duarte, was so lang und so kompliziert ist, dass ihn alle lieber kurz Bernard nennen. Bernard spielt nicht in Manchester, Madrid oder Mailand, sondern bei Atletico Mineiro, er ist 20 Jahre jung und dachte, „dass ich hier vielleicht die Koffer tragen darf“. Am Mittwoch, als es im Halbfinale gegen Uruguay um alles oder nichts ging und die Seleçao gerade am Schwächeln war, hatte Scolari kein Problem damit, den schmächtigen Bernard als Vertreter für die müde Kraftmaschine Hulk einzuwechseln. Mit ihm gewann Brasilien wieder die Hoheit über das Spiel und siegte 2:1. Ronaldinho, Teamkollege bei Atletico Mineiro, sagt über Bernard: „Es ist toll, den Moment mitzuerleben, wenn ein Star geboren wird.“

Wird in diesen Tagen auch eine neue Weltmacht geboren? Mit aufregenden Fußballspielern wie Bernard oder Oscar oder Paulinho oder Fred oder Barcelonas Millioneneinkauf Neymar, der in den vergangenen Tagen gezeigt hat, dass er doch sehr viel mehr sein kann als ein Clown mit schlechter Frisur. Das neue Brasilien hat sich so viel Selbstbewusstsein erspielt, dass es auch schlechte Spiele gewinnt wie zuletzt das Halbfinale gegen Uruguay.

Über die wahre Größe des neuen Brasiliens wird das Finale noch keinen Aufschluss geben. Ein Confed-Cup ist keine WM und ein Sieg über das nach 120 Halbfinalminuten gegen Italien erschöpfte Spanien würde keine neue Hierarchie des Weltfußballs zeitigen. So wie auch das Brasilien der Manifestacoes erst zeigen muss, dass es sein neu erworbenes Selbstwertgefühl auch ohne die Bühne Fußball zur Geltung bringen kann.

Aber Respekt haben sich die Brasilianer allemal erarbeitet. So viel Respekt, dass das spanische Fachblatt „Marca“ auf seiner Titelseite einen möglichen Sieg des Weltmeisters im Finale als ein „neues Maracanaço“ ankündigt. Das ist doch mal ein Maßstab. Als Maracanaço fand 1950 der Sieg Uruguays im finalen Spiel der WM 1950 im damals neu erbauten Maracana über Brasilien Eingang in die Geschichte. Es war eine der größten Sensationen aller Fußballzeiten, und der Vergleich mit damals ist ein schönes Kompliment für das neue Brasilien.

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