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Pele steht vor einer Countdown-Uhr zur WM 2014.

© dpa

Confed-Cup in Brasilien: Träume und Tränen beim Gastgeber

Rekordweltmeister Brasilien eröffnet am Samstagabend um 21 Uhr mit dem Eröffnungsspiel gegen Japan den Confed-Cup. Die Erwartungen im Land sind groß, doch ein Jahr vor der Weltmeisterschaft ist der Gastgeber nur noch eine Macht von vielen.

Wenn der König spricht, verstummt das Volk, also sprach der König, und der König sprach: „Ich will so etwas nie wieder erleben!“

Brasilien hat die Monarchie vor 124 Jahren abgeschafft, aber Pelé regiert immer noch, als Rei do Futebol. Kurz bevor es jetzt ernst wird für das Volk, erzählte der König des Fußballs von damals. Von 1950, als sein Vater vor dem Radio saß und weinte. Nach der ersten Weltmeisterschaft in Brasilien, die nichts anderes sein sollte als eine Bestätigung des Herrschaftsanspruchs der Futebolistas aus Santos, São Paulo und Rio de Janeiro. Dem stand eigentlich nichts mehr im Wege, mal abgesehen von diesem letzten Spiel gegen den kleinen Nachbarn aus Uruguay. 200.000 Zuschauer drängten sich erwartungsfroh im neu erbauten Estadio do Maracanã. Die Sonderausgaben der Zeitungen waren schon gedruckt, und natürlich feierten sie Brasilien als Weltmeister. Ein Unentschieden hätte genügt im letzten Spiel dieser WM, die als bisher einzige kein Endspiel kannte, sondern eine Endrunde der besten vier Mannschaften.

Am Ende gewann – Uruguay. 2:1. Und damit die Weltmeisterschaft. Bis heute ist das ein Trauma in der Geschichte nicht nur des brasilianischen Fußballs, sondern des ganzen Landes. „Ich sehe immer noch meinen Vater, wie er vor dem Radio saß und wie er weinte, als das zweite uruguayische Tor fiel“, erzählte Pelé bei der Countdown-Party an der Copacabana von Rio de Janeiro. Ein Jahr, bevor ein zweites Mal eine Weltmeisterschaft in Brasilien ausgespielt wird. An den Erwartungen hat sich nichts geändert. Nur der Titel zählt im Sommer 2014, aber anders als 1950 wird Brasilien nicht als großer Favorit in dieses WM-Turnier gehen. Der Rest der Welt hat nicht nur aufgeholt, er zeigt dem Land des ewigen Fußballstrandes schon seit langem, dass die Machtverhältnisse sich verschoben haben. Und lange war das nicht so deutlich wie vor dem Confed-Cup, der offiziellen WM-Generalprobe. Im Vergleich mit den Weltmächten Spanien und Italien oder, fatale Erinnerung!, mit Uruguay. Denn Brasilien ist nur noch eine Macht von vielen. Eine Macht mit schwindendem Einfluss.

Am Samstag eröffnet die Seleção in Brasilia das Turnier, doch nicht alle Brasilianer freuen sich darauf. Hunderte Demonstranten haben am Freitag in der Hauptstadt gegen die hohen Kosten der bevorstehenden Sportgroßereignisse im Land protestiert. Und auch sportliche Zweifel wachsen.

Brasilien beginnt gegen Japan. Japonês, Japaner, nannte man zu Pelés Zeiten einen Fußballspieler, der Quadrate oder Dreiecke oder Löcher in den Ball schoss, aber sonst nichts mit ihm anzufangen wusste. Lange her. Ein halbes Jahrhundert später sind die Japaner als Sieger der Asiengruppe B nach dem automatisch qualifizierten Gastgeber Brasilien das erste Team, das sicher dabei ist bei der WM.

Brasiliens Offensivmann Hulk hat sein Geld ein paar Jahre lang in der japanischen Liga verdient, bevor er sich über Porto und St. Petersburg versuchte, demnächst wird er vielleicht auf der neuen Milliardärsspielwiese in Monaco grasen. Hulk heißt eigentlich Givanildo Vieira de Souza, den Künstlernamen haben ihm die comicverliebten Japaner gegeben, nach dem Incredible Hulk, dem fiktiven Charakter und Alter Ego von Bruce Banner, der bei Zorn grün, groß und stark wird. Außerdem tritt er wie der amerikanische Wrestler Hulk Hogan eher körperbetont auf. Zur Eröffnung des Turniers der Erdteilmeister warnte Hulk davor, das Spiel gegen die vermeintlichen Nichtskönner aus Fernost als Stiefelparade vor Bewunderern aus der dritten Fußballwelt zu betrachten: „Ich kenne viele japanische Spieler. Ich kenne ihre Qualität und weiß: Das wird ein sehr schwieriges Spiel.“

Die Fans pfeifen ihre Nationalmansnchaft aus

Am Sonntag, beim letzten Test gegen Frankreich, hatte das Publikum in Porto Alegre Hulk eher verhalten begrüßt, wenn denn überhaupt. Es überwogen die Pfiffe und erst am Ende Begeisterung und Zustimmung. Der Kämpfer Hulk entspricht nicht gerade dem Ideal eines brasilianischen Fußballfans, dasselbe gilt für die schwächelnde Nationalmannschaft.

Es war eine seltsame Stimmung im neuen Stadion von Gremio Porto Alegre. Auch, weil die Fans dort nicht so gut zu sprechen sind auf Spieler, die mal für Internacional gespielt haben, die stadtinterne Konkurrenz. Wie etwa den Stürmer Oscar, der zwar aus São Paulo kommt und jetzt für Chelsea spielt. Oscar dos Santos Emboaba Junior kickte aber vor dem Wechsel nach London auch zwei Jahre für Internacional, und deswegen gab es vor dem Spiel reichlich Pfiffe. Und später umso mehr Applaus, weil Oscar das wegweisende 1:0 erzielte hatte beim 3:0 über den Angstgegner, der letzte Sieg gegen Frankreich lag 21 Jahre zurück.

In dieser Saison hat Oscar für Chelsea schon 75 Spiele gemacht (und das Europa-League Finale gewonnen), und er wirkt doch so jugendlich-elanvoll, als hätte das Fußballjahr gerade erst begonnen. Der knabenhafte Angreifer steht für das neue, für das junge Brasilien. Für das Brasilien ohne Kaka oder Ronaldinho, beide sind sie von Trainer Luiz Felipe Scolari nicht für den Confed-Cup berufen worden. Scolari ist erst im vergangenen November für den glücklosen Mano Menezes eingesprungen. Er hat Brasilien 2002 zum bisher letzten WM-Titel geführt, aber Verdienste aus der Vergangenheit interessieren ihn nicht. Kaka war zuletzt bei Real Madrid nur noch Ersatz, Ronaldinho verdingt sich im Alltag bei Atletico Mineiro, für das er parallel zum Sieg über Frankreich gleich mal zwei Tore schoss beim 2:0 über Fluminense.

Scolari aber setzt auf die Jugend, auf Oscar und ohnehin auf Neymar da Silva Santos Junior, den Wunderstürmer, der gerade erst für die bescheidene Ablöse von 57 Millionen Euro vom FC Santos zum FC Barcelona transferiert worden ist.

Neymar ist wie Oscar 21 Jahre alt. In Barcelona soll er beitragen zur Kompensation des vom FC Bayern zugefügten Traumas, an der Seite von Lionel Messi, der gerade aus fiskalischen Gründen ein ganz anderes Problem hat. Ob der Fußballspieler Neymar dazu in der Lage ist, wird sich zeigen. Bei seinen bisherigen Auftritten in der Nationalmannschaft hatte er häufiger Probleme, seine Tricks dem internationalen Tempo anzupassen. Auch gegen die mit einer bestenfalls zweitklassigen Mannschaft angetretenen Franzosen war von dem vermeintlichen Jahrhundertspieler nicht viel zu sehen.

Aber wie selbstverständlich trägt er das Trikot mit der Nummer 10, Pelé hat es berühmt gemacht und später an Strategen wie Rivaldo, Kaka oder Ronaldinho vermacht. „Die 10 ist ein Traum für jeden Spieler“, sagt Neymar und weiß doch um die Belastung des berühmten Textils. Die Fans zählen seit den vergangenen Wochen der Erfolglosigkeit jede seiner Minuten ohne erzieltes Tor. Vor dem Spiel gegen Japan sind es jetzt schon 842.

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