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Confed-Cup: Spiel verloren, Sympathie gewonnen

Trotz der 2:3-Niederlage gegen Rekord-Weltmeister Brasilien hat Bundestrainer Jürgen Klinsmann ein wesentliches Turnier-Ziel erreicht: Nach Monaten der Skepsis traut das deutsche Fußball-Volk der Nationalelf jetzt einiges zu - auch den WM-Titel? (26.06.2005, 16:42 Uhr)

Nürnberg/Leipzig - Turniersieg verpasst, aber die Herzen der Fans im Sturm erobert: Als die deutschen WM-Hoffnungsträger am Sonntag in Leipzig die letzte Station des Confederations Cups erreichten, war die erste große Enttäuschung über den Nürnberger Halbfinal-K.o. gegen Brasilien aus ihren Gesichtern gewichen. «Ich glaube, es wurde noch nie eine Nationalmannschaft mit Standing Ovations nach einer Niederlage verabschiedet», bilanzierte Klinsmann, als er zu später Stunde im Teamquartier bei einem Gläschen Wein mit seinem Trainerteam und Gast Franz Beckenbauer die 175. Niederlage der Verbandsgeschichte Revue passieren ließ. Zuvor hatte er den Spielern in einer kurzen Ansprache ein «Riesenkompliment» gemacht für ihren couragierten Auftritt gegen Ronaldinho und Co.

«Generell sind wir enorm zufrieden mit der Leistung und dem ganzen Auftreten. Wir haben mit unheimlich viel Energie, Leidenschaft und Elan nach vorn gespielt», sagte Klinsmann. Beckenbauer pflichtete dem Trainer-Neuling bei: «Man kann der Mannschaft überhaupt keinen Vorwurf machen.» Auch Team-Manager Oliver Bierhoff, den DFB-Chef Theo Zwanziger noch in diesem Jahr zu einer Vertragsverlängerung über Juli 2006 hinaus bewegen möchte, sprach von einem «äußerst positiven» Fazit: «Weil einfach die Entwicklung da ist, weil wir mit Tempo spielen, weil die Mannschaft zusammengewachsen ist.»

Zwei Mal hatte die DFB-Auswahl in der ersten Halbzeit durch Lukas Podolskis Kopfball und Michael Ballacks Elfmeter einen Rückstand wettgemacht. Doch mitten in der Phase, «als wir dem 3:2 näher waren als die Brasilianer» (Klinsmann), schlug der Rekord-Weltmeister 14 Minuten vor Schluss ein drittes Mal zu - und diesmal hatte die nach der Hitzeschlacht entkräftete deutsche Elf nichts mehr zuzusetzen. «Wir brauchen uns keine großen Sorgen zu machen in dem Sinne, dass wir meilenweit hinterher hinken. Wir sind schon auf Augenhöhe», urteilte Kapitän Michael Ballack.

«Wir werden die Großen schon schlagen, davon bin ich überzeugt - und wenn es bei der Weltmeisterschaft ist», prophezeite Zuschauer Oliver Kahn, der nun im Spiel um Platz drei zwischen die Pfosten muss. «Vor einem Jahr hatten wir noch das Gefühl, dass wir weit weg sind. Jetzt haben wir einen großen Sprung auf der Leiter gemacht», meinte Assistenzcoach Joachim Löw: «Der Unterschied war die individuelle Klasse.»

Die hieß Adriano. Das 1:0 und 3:2 erzielte das Kraftpaket von Inter Mailand selbst. Beim 2:1 holte der Stürmerstar, mit dessen Bewachung Robert Huth überfordert war, den von Ronaldinho verwandelten Elfmeter heraus. «Wie ein Adriano das Spiel entscheidet, ist eben spitze. Diese individuelle Klasse im Angriff haben wir im Moment nicht, das fehlt uns noch», stellte Ballack fest.

Daran wird sich bis zur WM auch nichts ändern. Im Gegensatz zur «seleção», die auch ohne Weltstars wie Ronaldo, Cafu oder Roberto Carlos eine Weltklasse-Mannschaft darstellt, hat Klinsmann nur eine sehr dünne Spielerdecke von internationalem Format. Dass der ungelenke und in Zweikämpfen riskant und tolpatschig agierende Huth seine Mängel bis zur WM beheben kann, wagt man kaum zu glauben. Auf der linken Abwehrseite ist das Vakuum nach dem langen Ausfall von Philipp Lahm so groß, dass Mittelfeldspieler Bernd Schneider aushelfen musste. Auf der Bank hatte Klinsmann keine brauchbaren Alternativen, um das Ruder noch einmal herumreißen zu können.

Trotzdem glaubt nach einer nach Spielschluss durchgeführten TED- Umfrage im ZDF-Sportstudio fast jeder zweite deutsche Fan an den WM- Titel im nächsten Jahr. Auch Klinsmann sieht keinen Grund, von dem bei seinem Dienstantritt ausgegebenen Ziel abzurücken. «Wir ziehen enorm viele Dinge aus diesem Turnier. Wir haben noch viel Arbeit vor uns, aber wir haben auch noch fast ein Jahr Zeit», sagte er.

Mit einer spontan angesetzten Runde Beach-Volleyball und Basketball versuchte er am Sonntagmorgen, die Spieler wieder auf andere Gedanken zu bringen. Nach der Ankunft in Leipzig war bei der Übertragung des zweiten Halbfinales zwischen Argentinien und Mexiko ein gemeinsamer Fernsehabend angesetzt. «Wir müssen der Mannschaft bewusst machen, dass das Turnier noch nicht vorbei ist. Es ist wichtig, dass wir es mit einer guten Note abschließen», sagte Klinsmann.

Die gewonnenen Sympathiepunkte sollen im Zentralstadion nicht durch eine lasche Einstellung wieder verspielt werden. «Es wird keine Motivationsprobleme geben für Leipzig. Die Spieler haben die Verpflichtung, noch einmal alles zu geben», versprach Klinsmann: «Dann können sie in den wohlverdienten Urlaub gehen.» (Von Oliver Hartmann und Klaus Bergmann, dpa) (tso)

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