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Der Spanier Alberto Contador ist der fünfte Radrennfahrer, der alle drei großen Rundfahrten (Tour de France, Giro d'Italia, Vuelta a Espana) gewinnen konnte.

© dpa

Contador vor Gericht: Spanien am Lügendetektor

Der Radprofi Alberto Contador verteidigt vor dem Sportgerichtshof Cas den Ruf der Sportnation Spanien im Dopingprozess mit absurden Methoden.

Endlich ist es soweit. Am internationalen Sportgerichtshof Cas in Lausanne wird das Verfahren Wada/ UCI gegen Alberto Contador und den spanischen Radsportverband RFEC am Sonntag eröffnet. Drei Cas-Richter, darunter der Deutsche Ulrich Haas, sollen in der auf vier Tage angesetzten Verhandlung klären, ob der dreifache Tour-de-France-Sieger Contador gedopt hat. Damit neigt sich eine 16-monatige Wartezeit – seit der ersten positiven Probe des Spaniers im Juli 2010 – dem Ende zu. Ein Urteil ist allerdings „nicht vor Weihnachten“ zu erwarten, sagt ein Cas-Sprecher. Das wäre angesichts der bisherigen Verzögerungen sensationell schnell. Das Urteil der höchsten Sport-Instanz ist endgültig. Weil mit Contador der weltbeste Rundfahrer auf der Anklagebank Platz nimmt, kommt dem Votum der drei Richter enorme Bedeutung zu. Wird er schuldig gesprochen, dürfte dies neue Imageverluste bedeuten für den Profiradsport, aber auch für den spanischen Sport insgesamt. Und wird Contador mit einer überzeugenden Begründung freigesprochen, stehen die Antidopingfahnder der Welt-Anti-Dopingagentur (Wada) und des Radsport-Weltverbands UCI wie Stümper da. Weil so viel auf dem Spiel steht, kochen nicht nur die Emotionen hoch. Auch die Strategien nehmen abenteuerliche Züge an. Für den aktuellsten Aufreger sorgte der frühere französische Tennisprofi Yannick Noah. In der Tageszeitung „Le Monde“ gestattete er sich einen Vergleich mit dem gallischen Comic-Helden Asterix bei den Olympischen Spielen. „Wenn man keinen Zaubertrank hat, ist es schwer zu gewinnen“, meinte Noah. Den spanischen Sporthelden, die derzeit im Fußball, im Tennis und im Radsport dominieren, schrieb er zu: „Man hat den Eindruck, dass sie wie Obelix in den Zaubertrank gefallen sind.“ Das impliziert auf eine etwas schräge Art systematisches Doping. Aus Spanien kam umgehend Protest. Noah wurde als „Ignorant“, der „die Basis des spanischen Sportbooms nicht versteht“, diffamiert. Die spanische Sportzeitung „Marca“ zitierte Quellen aus dem obersten Sportrat des Landes: „In Spanien wird nicht mehr und nicht weniger gedopt als in anderen Ländern auch.“ Nicht mehr und nicht weniger – das klingt plausibel. Contador möchte der Welt weismachen, dass er weniger gedopt hat als andere: nämlich gar nicht. Zu diesem Zweck gehört seinem Verteidigungsteam auch ein Lügendetektorexperte aus den USA an. Louis Rovner, der seine Praxis im Herzen der Filmindustrie von Hollywood betreibt, könnte die letzte Waffe sein, wenn es den anderen Experten nicht gelingt, Contadors Clenbuterolwerte hinwegzuzaubern und das Vorkommen von Weichmachern für Plastik in seinem Blut als nicht dopingrelevant hinzustellen.

Dies sind die eigentlichen Anklagepunkte. Bei insgesamt vier Dopingproben vom 21. - 25. Juli 2010 wurden im Kölner Labor Clenbuterolkonzentrationen zwischen 7 und 50 Picogramm nachgewiesen. Contadors Verteidigung dürfte nun darin bestehen, die Konzentrationen als nicht relevant für eine Leistungssteigerung und die Einnahme als nicht intendiert darzustellen. So könnte sie die im WADA-Code vorgesehene Sanktionierung, die auch bei geringsten Konzentrationen droht, umgehen. Anders als im Falle des deutsche Tischtennisspielers Owtscharow und einiger mexikanischer Fußballer, die Clenbuterolwerte in ihrem Körper mit Fleischverunreinigungen in China und Mexiko hinlänglich begründen konnten und deshalb freigesprochen wurden, fällt Contadors Team diese Beweisführung aber schwer. Intensive Recherchen zu Lebensmittelverunreinigungen in Spanien führten zwar seit 2005 24 Verfahren zutage; keiner jedoch betraf Clenbuterol. Ein Angehöriger der Guardia Civil, der zu Verunreinigungsfällen als Zeuge aussagen sollte, wurde letzte Woche laut spanischen Medien von der Verteidigung wieder zurückgezogen. Auch Contadors Teamkamerad Jesus Hernandez, der wie Contador von dem ominösen Steak gegessen haben soll, wird nicht als Zeuge nach Lausanne kommen. Hernandez schleppt als symbolischen Ballast seine eigene Verwicklung in die Puerto-Affäre mit. Er gab damals "unwissentliches Doping" mit Testosteronpflastern zu. In Sachen Plasticizer sieht Contadors Blatt besser aus. Denn hier muss ihm die Gegenseite beweisen, dass die Weichmacher in seinem Blut tatsächlich von Blutbeuteln stammen. Die WADA strich jedoch ausgerechnet die Finanzierung zur Weiterentwicklung dieses Test. Das ist nicht gerade ein Vertrauensbeweis in die eigenen Mittel. Ein Lebensmittelexperte der Ruhruniversität Bochum, der bislang nicht genannt werden wollte, soll für Contador außerdem begründen, dass die Plastikelemente durchaus von Lebensmitteln stammen können und nicht notwendigerweise von Blutbeuteln aus in den Organismus gelangt sein müssen. Misslingt ihm dies, bleibt Contador immer noch die peinliche Befragung unter Eletropden. Poligraph-Experte Rovner gibt auf seiner Homepage eine Genauigkeitsrate von 96 Prozent an. In der wissenschaftlichen Literatur wird er aber zitiert, dass die Genauigkeit auf 62 Prozent sinken kann, wenn der Proband in die Methodik eingeführt ist. Große Glaubwürdigkeit hat der vorgeschlagene Lügendetektortest nicht. Das Verfahren droht ins Absurde zu kippen.

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