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Finger weg! Die Provokation des Chilenen Gonzalo Jara gegen Edinson Cavani war Titelthema in Uruguays Zeitungen.

© AFP

Copa America: Skandal um Jara und Cavani: Chiles schmutziger Sieg

Bei Chiles 1:0 im Viertelfinale der Copa America wird Uruguays Stürmer Edinson Cavani Opfer einer fiesen Attacke von Gonzalo Jara.

Die Präsidentin jubelte und wedelte mit ihrem blau-roten Schal. Oben auf der Tribüne, zwischen gesetzten Herren in Fußballtrikots, Popcorn-Verkäufern und all den anderen, die es mit der Roja de Todos hielten, der rot gekleideten Nationalmannschaft für alle Chilenen. Es war kurz vor halb elf, und die kühle Nacht nahm ihren heißen Anfang. 50 000 Fans und die Präsidentin sangen: „Vamos, vamos Chilenos! Esta noche, tenemos que ganar!“

Ja, auf mit Chile, in dieser Nacht mussten die kickenden Staatsdiener siegen. Santiago feierte, im Estadio Nacional im Süden der Stadt und im Zentrum auf der Plaza Italia, wo chilenische Siege traditionell begossen werden. Die Staatspräsidentin Michelle Bachelet ist froh, dass es in diesen Tagen nicht um die Studentenproteste geht, sondern um Fußball, um den Einzug der Nationalmannschaft ins Halbfinale der Copa America. 1:0 siegten die Chilenen in der Nacht zu Donnerstag im Viertelfinale gegen Uruguay. Mauricio Islas Siegtor kurz vor Schluss entsprach durchaus dem Spielverlauf – und stand doch im Schatten eines kleinen Skandals.

Es ging dabei weniger um die vom südamerikanischen Fußballverband Conmebol ausgelobten vier Millionen Dollar Preisgeld. Wer weiß, ob diese Summe überhaupt ausbezahlt werden kann, denn die dafür vorgesehenen Mittel lagern auf den Konten von drei Vermarktungsfirmen, die das FBI im Zuge der Korruptionsaffäre um die Fifa eingefroren hat. Auf dem Platz aber waren alle Schmiergeldverwicklungen weit weg, und den Uruguayern ging es zuvorderst um den Umgang mit Edinson Cavani. Dem Stürmer, an dessen Füßen die Hoffnungen seines Landes hingen, es möge vielleicht doch etwas werden mit einem Da capo von 2011. Vor vier Jahren hatte Uruguay die Copa gewonnen und eben im Viertelfinale den Gastgeber ausgeschaltet, er hieß damals Argentinien. Auch diesmal war Uruguay auf einem guten Weg. Chile bestimmte zwar das Spiel und durfte sich zeitweise über eine Ballbesitzquote von 80:20 freuen. Torchancen aber zeitigte diese Überlegenheit nicht. Uruguay gestaltete die Auseinandersetzung in seinem Sinne, ließ wenig zu und war vorn durchaus gefährlich. Alles schien seinen Weg zu nehmen. Bis es nach einer Stunde zum Eklat kam.

Edinson Cavani war bis dahin häufig genug getreten worden und hatte allen Anfeindungen widerstanden. Einmal geschah es, dass er an der Außenlinie einen Freistoß reklamierte, gewiss ein wenig zu heftig, wofür ihm der brasilianische Schiedsrichter Sandro Ricci die Gelbe Karte widmete. Diese Vorbelastung wirkte nach. Als Cavanis Gegenspieler, der beim FSV Mainz 05 beschäftigte Gonzalo Jara, nach einem Gerangel mit Cavani zu Boden sank, bedeutete das in der Logik des Senhor Ricci Gelb-Rot. Der Brasilianer hatte die vorausgehende Provokation nicht gesehen oder nicht sehen wollen: Wie Jara mit seinem Mittelfinger so lange an Cavanis rückwärtig verlängertem Hosenbund herumstocherte, bis der ihn mit seinen Fingerspitzen wegdrückte. Mit den bekannten und spielentscheidenden Folgen. „Ich muss dazu nichts weiter sagen“, sprach Uruguays Trainer Oscar Washington Tabarez. „Jeder kann sich in der Fernsehaufzeichnung anschauen, was passiert ist, und vielleicht tut es ja auch der Schiedsrichter.“

Im Estadio Nacional wurde es nach dem Platzverweis noch lauter, die Chilenen rannten noch bedingungsloser an. Zehn Minuten vor Schluss fiel der Ball eher zufällig vor die Füße des Chilenen Jorge Valdivia. Der gab weiter auf Isla, dessen Schuss unten rechts im uruguayischen Tor einschlug. Die Schlussminuten zogen sich in die Länge. Auch Cavanis Kollege Jorge Fucile sah noch Gelb-Rot, worauf die auf der Ersatzbank versammelte uruguayische Delegation den Rasen stürmte, angeführt von Trainer Oscar Tabarez. Der 68 Jahre alte Grandseigneur wurde daraufhin ebenfalls mit einem Platzverweis bedacht und musste die vierminütige Nachspielzeit von der Tribüne aus durchleiden.

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