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Sport: Cup der guten Hoffnung

Bei der Afrika-Meisterschaft in Tunesien geht es um mehr als Tore und Punkte: Fünf Länder kämpfen um die Fußball-WM 2010

Tunis. Auf dem Wagen stehen eine Sporttasche und ein Aktenkoffer. Eckhard Krautzun schiebt ihn quer über den Flughafen von Tunis zum Duty-Free-Shop. Bevor es losgehen kann, muss der Fußballtrainer noch etwas besorgen. „Das Bier schmeckt in Afrika sehr chemisch", sagt der Fußballlehrer, deshalb kaufe er sich am Flughafen von Tunis immer eine Palette holländisches Dosenbier.

Als ob chemisch schmeckendes Bier das einzige wäre, worüber sie sich in Afrika den Kopf zerbrechen. Am Samstag wurde in Tunesien der Afrika-Cup eröffnet; mit vielen Fahnen, 60 000 begeisterten Fans und einer großen Party. „Afrique foot, afrique fête“, titelte die Tageszeitung „La Presse“, was so viel heißt wie: Afrikanischer Fußball, afrikanisches Fest. Für Tunesien geht es in den nächsten Tagen um weit mehr als den Afrika-Cup, es geht um die Fußball-Weltmeisterschaft 2010. Im Mai wird der Weltverband Fifa entscheiden, welches Land das Turnier ausrichten darf. In Afrika wird es auf jeden Fall stattfinden, zum ersten Mal überhaupt, darauf hat sich die Fifa bereits festgelegt. Doch damit beginnen die Probleme.

Krautzun, der Mann mit dem Dosenbier, kennt sich aus in der Branche. Früher war er Trainer in der Bundesliga, in Kaiserslautern und Wolfsburg, bis vor zwei Jahren betreute er die tunesische Nationalmannschaft. Nun reist er auf Einladung des tunesischen Verbandes nach Tunis. Beziehungen und Kontakte, davon redet Krautzun gerne, „die werden in den nächsten Monaten eine große Rolle spielen“. Wenn fünf afrikanische Staaten die nötigen Pluspunkte und Sympathien bei den Fifa-Delegierten sammeln. Der vergangene Donnerstag gab einen Vorgeschmack: Da wählten die Chefs des afrikanischen Fußballverbandes im Hotel Abou Nawas in Tunis den neuen Präsidenten. Wobei das nicht so ganz richtig ist, der alte, Issa Hayatou, ist auch der neue. Damit darf der Kameruner die WM auf seine Agenda 2010 schreiben. „Wir haben durchgesetzt, dass die WM nach Afrika rotiert. Wo in Afrika – das hat die Fifa zu entscheiden.“ Eine diplomatische Aussage. Am 15. Mai wird Fifa-Präsident Joseph Blatter in Zürich den Ausrichter bekannt geben. Wer die besten Aussichten hat, mag Blatter nicht verraten, „Ägypten, Marokko, Tunesien oder Südafrika, das kann man jetzt nicht sagen".

Von Libyen, dem fünften Bewerber, spricht der mächtigste Mann der Fußball-Welt schon gar nicht mehr. Das mag an Al Saadi Gaddhafi liegen, dem Sportminister und Sohn des Staatschefs, der sich für viel Geld ins Team des AC Perugia eingekauft hatte und prompt des Dopings überführt wurde. Libyen hat sich auch hartnäckig mit der Fifa angelegt mit dem Plan, die WM gemeinsam mit Tunesien auszurichten, angelehnt an das asiatische WM-Duo Japan/Südkorea vor zwei Jahren. Die Fifa lehnt das ab, zuletzt immer deutlicher. Tunesien und Libyen interessiert das wenig. In der Innenstadt von Tunis hängen riesige Plakate. Tunesien und Libyen, steht da. „Host for the World“, Gastgeber für die Welt.

Das Duo Tunesien/Libyen steht symbolisch für die kontinentale Auseinandersetzung. Längst hat sich eine nordafrikanische Allianz gebildet gegen den großen Favoriten Südafrika. Nigeria, das seine WM-Bewerbung in letzter Sekunde zurückzog, unterstützt Südafrika. Krautzun, der Fußballtrainer, sagt, dass „die Menschen aus dem Norden mit Schwarzafrika nicht viel gemeinsam haben“. Das Land, ja. Die Kultur weniger. Nordafrika gehört zum arabischen Gürtel.

Südafrika gilt in den westlichen Länder als der große Sympathieträger, weil es sich 1990 aus der Apartheid befreien konnte. Auch deshalb hat sich jetzt Bundeskanzler Gerhard Schröder während seiner Afrika-Reise für eine WM am Kap der guten Hoffnung stark gemacht. „Jetzt hat die große Politik begonnen", sagt Krautzun.

Es sind also nicht mehr nur sportliche Emotionen, die beim Afrika-Cup geweckt werden, jetzt geht es auch um Prestige. „Wir müssen kämpfen", sagt Naceur Mani, Direktor des tunesischen Fremdenverkehrsamtes. In seiner Broschüre stehen tolle Fakten: Die Hotelbettenkapazität in Tunesien liege jetzt schon bei 200 000, neue Flughäfen werden gebaut, Autobahnen sind fertig. Und 2010 soll alles noch beeindruckender sein.

Aus Ägypten war bisher nicht viel zu hören, nicht einmal, dass sich seit Freitag eine Fifa-Delegation um den Belgier Jan Peeters im Land aufhält und die WM-Tauglichkeit prüft. Auch deshalb gilt es als sicher, dass Südafrika, das im November die Unterstützung von WM-2006-Chef Franz Beckenbauer zugesichert bekam, nur die Konkurrenten Marokko und Tunesien fürchten muss. Marokko, das sich schon dreimal vergeblich beworben hat, ist die Unterstützung der Franzosen sicher. Frankreichs höchster Fußballfunktionär Claude Simonet sagt, dass „unser Herz und unsere Augen auf Marokko gerichtet sind“. Auch das ist Politik, Marokko war lange französisches Protektorat. Und der frühere Nationalspieler Michel Platini sagt: „Die Fifa muss sich fragen, wo die Fans die WM gucken wollen.“ Für Europa, wo die meisten Fans herkommen, wäre Nordafrika wegen der Anreise bequemer; aus Berlin etwa sind es zweieinhalb Stunden Flug. Nach Südafrika dauert es dreimal so lange.

Gegen Nordafrika spricht das Klima. Afrikas Verbandspräsident Issa Hayatou hat eingeräumt, dass Tunesien den Afrika-Cup nicht im Juli hätte ausrichten können, „because of the climate“. Der heiße afrikanische Sommer spricht für das gemäßigte Wetter in Südafrika. Dort sind auch schon die Flughäfen ausgebaut, die elf WM-Stadien sollen bis 2007 fertiggestellt sein. Ohnehin hat Südafrika einenVorsprung mit seinen Stadien, in denen 1995 die Rugby-WM ausgetragen wurde. Zwanzig US-Dollar soll das billigste WM-Ticket 2010 in Südafrika kosten.

Tunesien kann jetzt immerhin Boden gutmachen mit einem gelungenen Afrika-Cup. Auch Franz Beckenbauer will vor Ort sein, das schmeichelt den Tunesiern. Am Stadion von Tunis hängen neben den neuen „Tunisia 2010“-Fahnen auch die des Werbepartners Nokia mit dem Slogan: „Connecting People“. Ein schöner Gedanke, sagen die Tunesier.

André Görke

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