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Sport: "Damit wir das behalten, um was man uns beneidet"

Am 100.Geburtstag des LTTC Rot-Weiß sieht Wolfgang A.

Am 100.Geburtstag des LTTC Rot-Weiß sieht Wolfgang A.Hofer eine gute Tenniszukunft - auch ohne Graf und Becker$ TAGESSPIEGEL: Aufgrund welcher Bedingungen konnte der LTTC Rot-Weiß in nunmehr 100 Jahren zu einer der ersten Tennis-Adressen Deutschlands werden? HOFER: Zur Jahrhundertwende spielte ja nur eine Elite Tennis.Das waren Offiziere und - meist Englisch sprechende - Diplomaten, von denen es im Kaiserreich mit der Hauptstadt Berlin sehr viele gab.Die Engländer brachten uns das Tennis mit.Der LTTC sollte dabei von Beginn an ein Klub sein, der sich dem Turniersport verpflichtete und keiner, der nur Gartenpartys feierte.So wurden wir auch zum Mitbegründer des Deutschen Tennisbundes.Der Name Rot-Weiß kam erst später hinzu.Die Spieler trugen seinerzeit noch Strohhüte, die mit einem - in unserem Fall rot-weißen - Band geschmückt wurden. TAGESSPIEGEL: Sie sind 1936 in den Klub eingetreten.Was waren für Sie die Sternstunden in der wechselvollen Geschichte des LTTC Rot-Weiß? HOFER: Die schönsten Erinnerungen verbinden sich sicherlich mit dem Namen Gottfried von Cramm, der 1950/51 seine letzten Daviscup-Matches für Deutschland spielte und damals auch Pate unserer Tochter Marion wurde.Daß wir schon 1947 als erster Tennisverein wieder zugelassen wurden, ausgerechnet von den Engländern, der damaligen Besatzungsmacht, die noch 1943 während eines Bombenangriffes mit für die Zerstörung des Klubgeländes verantwortlich war, war ebenfalls eine Sternstunde.Auch das hatten wir von Cramm mit zu verdanken, der mit seinen drei Finalteilnahmen (1935/36/37, d.Red.) als der "Gentleman von Wimbledon" bei den Engländern einen Namen hatte.Schon 1949 hatten wir so ein Stadion, in das zum Schaukampf zwischen Parker und von Cramm 7000 Zuschauer kamen.Von Cramm verlor gegen den damaligen Weltranglisten-Zweiten glatt.Aber es war zum ersten Mal seit dem Krieg, daß er wieder international spielen durfte. TAGESSPIEGEL: Und die Tiefs? HOFER: Ich war von 1971 bis 1976 deutscher Daviscup-Kapitän, und wir bekamen als Ausrichter die Partie gegen Schweden mit Björn Borg 1975 nach Berlin.Deutschland spielte mit Pohmann/Faßbender im Doppel sowie Pohmann und Meiler im Einzel.Nach dem zweiten Tag führten wir 2:1, die meisten schwedischen Journalisten reisten schon ab, der Präsident des schwedischen Verbandes sprach offen von unserem bevorstehenden Sieg - falls sich Karl Meiler gegen Schwedens Nr.2 nicht das Bein bräche.Aber wie das so ist: Ausverkauftes Stadion, ich als Kapitän in meinem Klub, den Sieg vor Augen - und plötzlich traf, trotz 5:2-Führung, der Meiler keinen Ball mehr.Und ich konnte überhaupt nichts tun.Schweden gewann und wurde erstmals auch Daviscup-Sieger.Im Jahr darauf - in Homburg gegen die UdSSR - mußten wir Karl Meiler dann sogar mit Krämpfen am ganzen Leib mit der Trage vom Platz nehmen, so hatte er Nerven bekommen.Er war ein lieber, netter Kerl, aber kein Daviscup-Spieler.Man hat mir dann zum Vorwurf gemacht, daß ich ihn aufgestellt hatte.Ich habe dann das Amt an Wilhelm Bungert (ab 1977, d.Red.) abgegeben.Trotzdem war der Sport für mich immer wie ein zweites Leben.Ich konnte als Spieler auf nationalem Niveau gut mithalten, aber ich wurde 1942 Soldat, und nach dem Krieg waren Studium und Familie wichtiger, so daß ich schon mit 23 die Funktionärs-Laufbahn eingeschlagen habe.Da ich kein "PG" (Parteigenosse, d.Red.) war, ist die Neugründung des Vereins natürlich leichter gefallen.Der damalige Magistrat war auch von Beginn an unserer Auffassung, daß Berlin eine große Sportstätte für Tennis braucht und hat alles getan, um uns zu unterstützen, was damals bei Tennisvereine nicht unbedingt der Fall war. TAGESSPIEGEL: Wie steht es denn heute um die Zukunft des "Rot-Weiß"-Turniers, wie die "German Open" der Damen in Berlin genannt werden? Die neunmalige Siegerin Steffi Graf wird nicht mehr allzu viele Auftritte an der Spree haben.Außerdem ist die Rede von neuen Zehn-Tage-Turnieren für Männer und Frauen, was deutscherseits für eine Verlegung nach Hamburg spräche? HOFER: Ich habe keine Sorgen um die Zukunft unseres Turniers.Berlin als Hauptstadt wird immer so viele Tennis-Interessierte haben, um dieses Stadion mit 7000 Leuten füllen zu können.Auch wenn Steffi Graf nicht mehr spielt.Wir haben ein Stammpublikum, allein über 100 Logen, die in festen Händen sind.Das Turnier liegt ja am Beginn der Saison.Alles freut sich darauf, an die Luft, an die Sonne zu kommen.Diesen Termin werden wir behalten.Und ob die neuen Turniere kommen, ist noch eine ganz andere Frage.Es würde Jahre dauern, bis man alle Termine so entzerrt hätte, um neue Turniere einrichten zu können.Aber auch dann würde Berlin einen entsprechenden Platz haben.Unser Status als größtes und wichtigstes Damenturnier in Europa nach Wimbledon und den French Open ist - auch vom Preisgeld her - garantiert.Der Vertrag, der mit dem Deutschen Tennisbund bis zum Jahr 2007 geschlossen worden ist, sieht das so vor.Ich habe ja deshalb auch den Regierenden Bürgermeister gebeten, daß er diesem Vertrag vermittelnd beitritt, denn bei einer Investition von 20 Millionen (aus Lotto-Geldern, d.Red.) mußt er ja sicher sein, daß wir das Turnier eine lange Zeit haben.Die Spielerinnen kommen aber auch gerne wegen des Ambiente in diesen Klub.Und wenn es mal nicht so gut gehen sollte, dann fahren wir eine Tribünenseite eben nicht aus.Dann ist es immer noch ein großartige Veranstaltung. TAGESSPIEGEL:Wobei der LTTC Rot-Weiß von manchen als elitärer Klub gesehen wird, dem man nur beitreten kann, wenn man mit größerer Spende die Warteliste umgeht. HOFER: Voraussetzung für eine Mitgliedschaft ist, daß jeder auch spielen und einen Trainer haben kann.Deshalb können wir derzeit bis zu 100 Neue aufnehmen, weil uns nun noch drei Plätze des Landesverbandes zur Verfügung stehen.Wir haben allerdings einen Aufnahemausschuß, und es kommt nicht jeder herein. TAGESSPIEGEL: Was wird aus dem deutschen Tennis ohne Michael Stich, Steffi Graf und Boris Becker? HOFER: Ich habe erlebt, wie wir seinerzeit versuchten, einen Nachfolger für Gottfried von Cramm zu finden.Kaufhausgründer Horten und auch der Springerverlag haben für damalige Verhältnisse große Summen dafür gegeben.Aber mit Geld allein ist nichts zu machen.Das mußten auch Tennisländer wie England und Australien schon erleben, wo es Durststrecken gab, teilweise über Jahrzehnte.Wir werden uns damit abfinden müssen, ein Zeit zu überstehen, die nicht mit deutschen Weltklasse-Stars bestückt ist.Ich hoffe nur, daß unsere beiden Rot-Weiß-Mitglieder Boris Becker und Steffi Graf beim Nachwuchs so viel Einsicht hinterlassen, daß zum Talent auch Arbeit und Durchbeißen kommen müssen.Auch in Schweden kam ja nach Björn Borg und Mats Wilander eine ganze handvoll Spieler, die unter die ersten 30 der Weltrangliste kamen.Und Schweden ist so ein kleines Land ... TAGESSPIEGEL: Ihr Wunsch zum 100.Klub-Geburtstag? HOFER: Der Klub hat ja mit dem Stadion schon 1996 ein Geschenk bekommen, und ich habe ihm mit meinem Buch ("Ein Jahrhundert Tennis in Berlin"/Nicolai-Verlag, d.Red.) auch eines gemacht.Ich wünschte mir - und sehe das auch als Pflicht - aber noch, für einen Nachfolger zu sorgen.Mit Dr.Joerg Scholz, der zehn Jahre schon im Vorstand arbeitet, ist das nun seit Januar der Fall.Ich bin Ehrenmitglied ohne Stimmrecht.Das wollte ich so.Ich wollte nicht mehr reinpfuschen.Nur noch mit meinen Verbindungen dafür sorgen, daß wir das behalten, um was man uns beneidet: Ein Turnier in einem Klub, das wir mit unserer Atmosphäre und unserem Einsatz einzigartig gestalten.

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