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Gar nicht abgedroschen. Marie Hammarström (r.) knallt den Ball zum Siegtreffer ins Tor. Foto: Reuters

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Sport: Dancing Queens Kopfball trifft Kopftuch

Die WM hat nicht nur den Spielerinnen eine Menge Spaß bereitet. Wir erinnern zum Abschied an die schönsten Augenblicke der Freude Bei der Konferenz zur Zukunft des Frauenfußballs prallen Welten aufeinander

Gerhard Mayer-Vorfelder beißt in sein Mandelhörnchen und schaut den Turban an. Oder ist es ein kunstvoll gebundenes Kopftuch, das die knallrot gekleidete Frau aus Lesotho am Stehtisch neben ihm trägt? Wo liegt eigentlich Lesotho? Mayer-Vorfelder nimmt noch einen Bissen, eine junge Kanadierin in Flip-Flops schlappt vorbei, Gespräche in dutzenden Sprachen schwirren durch den Konferenzraum. In der Kaffeepause des fünften Frauenfußball-Symposiums des Weltverbands Fifa trifft die alte Welt des Fußballs auf die neue. Früher war der Klub der Funktionäre eine Versammlung alter Männer – zumindest an diesem Wochenende in Frankfurt am Main hat es den Anschein, als würde sich das ändern. Der 78 Jahre alte Mayer-Vorfelder, langjähriger Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, wirkt in seinem schwarzen Anzug mit Einstecktuch zwischen den vielen farbenprächtigen Gewändern wie ein Fremdkörper. 550 Delegierte aus fast allen der 208 Mitgliedsverbände sind in ein Hotel nahe des Frankfurter Flughafens gekommen, zweieinhalb Tage wird diskutiert. Es geht um den bekannten Fifa-Zweiklang: Wie kann der Fußball weiter wachsen? Und wie kann man damit Geld verdienen?

Bei den Vorträgen und Podiumsdiskussionen geht es um eine Welt, in der Frauen in manchen Ländern überhaupt nicht gegen den Ball treten dürfen und andere beim Kicken in riesigen Stadien von Hubschrauberkameras gefilmt werden. Es geht um Strukturen und Märkte, um Ligen und Nationalmannschaften, um Probleme und Erfolge. 29 Millionen Frauen und Mädchen spielen mittlerweile weltweit Fußball, alle im Raum wünschen sich, dass es noch mehr werden. Auch die englische Nationaltrainerin Hope Powell, die neben ihrer kanadischen Kollegin Carolina Morace Platz genommen hat. „Es geht darum, Ideen auszutauschen“, sagt Powell. „Dieses Treffen hilft den Verbänden, sich zu verbessern. Auch wir haben irgendwann mal klein angefangen.“

Hope Powell hat ihre Mannschaft ins WM-Viertelfinale geführt, Faleupolu Naomi Oneys Spielerinnen sind noch zu schlecht, um überhaupt in der Weltrangliste geführt zu werden. Die kleine dunkelhäutige Frau mit den leicht ergrauten Haaren hatte vielleicht die weiteste Anreise aller Teilnehmer der Konferenz, ihr Namensschild weist sie als Frauenfußball-Beauftragte Amerikanisch-Samoas aus. „Sie können ruhig Naomi sagen, das Faleupolu lassen wir weg“, sagt sie fröhlich. Sie ist begeistert vom Gedankenaustausch mit ihren Kolleginnen und Kollegen: „Ich werde so viele Ideen mit nach Hause nehmen.“ Ein Frauen-Nationalteam gibt es in dem ozeanischen Inselstaat erst seit 2007, die ersten Länderspiele sind in der Regel 0:8 oder 0:9 ausgegangen. „Als wir das erste Mal in einem Länderspiel nur ein Gegentor bekommen haben, habe ich gejubelt“, sagt Oney. Das Spiel ging trotzdem verloren, 0:1 gegen Papua-Neuguinea.

Die Vertreter aus Ländern wie den USA, Deutschland oder Schweden haben andere Sorgen, sie interessieren sich eher für Einschaltquoten und Marketingstrategien. Auch bei der Gesprächsrunde zum Thema Sponsoring prallen Welten aufeinander. Neben dem „Head of Global Football“ bei Adidas sitzt ein junger Mann aus Paraguay und berichtet, wie er händeringend versucht, Sponsoren für die Frauenliga seines Landes zu finden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Liga nur aus zwei Teams besteht.

Gerhard Mayer-Vorfelder hat in einer Pause Zeit für ein kurzes Gespräch. Hinter ihm läuft ein graubärtiger Rastafari von den Grenadinen vorbei, gefolgt von einem korpulenten Nigerianer in einem grünlich schimmernden Anzug, der bei jedem Schritt geheimnisvoll knistert. Mayer-Vorfelder sagt, er habe sich immer für den Frauenfußball eingesetzt, „deswegen interessiert mich jetzt auch, wie er sich weiter entwickelt“. Als Fan wie sein Nachfolger Theo Zwanziger ist er aber nie aufgefallen.

Am Sonntag um kurz vor elf Uhr erheben sich die Delegierten, um Joseph Blatter mit viel Applaus im Saal zu empfangen. Der Präsident der Fifa hält eine launige Ansprache, hier fragt niemand nach Korruptionsvorwürfen und gekauften Wahlen. „Eines Tages wird es bei der Fifa eine Präsidentin geben“, ruft der 75-Jährige, macht eine Kunstpause, „aber bitte nicht in den nächsten vier Jahren.“ Die Frauen seien das Zentrum der Familie, erklärt Blatter und richtet sich an die weiblichen Delegierten: „Bitte seien sie auch das Zentrum der Fifa-Familie.“

Aber Blatter wäre nicht Blatter, wenn er in seine Schmeicheleien nicht eine Anzüglichkeit einbauen würde. Sehr fair sei diese WM gewesen, sagt er anerkennend, Frauen würden nach Fouls viel schneller aufstehen als männliche Fußballer. „Bei den Frauen wird nicht simuliert“, sagt Blatter lächelnd, auf den Orgasmus-Gag hat er sich gefreut. „Zumindest nicht auf dem Rasen.“ Da ist sie wieder, die alte Welt des Fußballs.

Es geht der Fifa um die Frage: Wie kann mit Frauenfußball Geld verdient werden?

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