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Sport: Darf’s nicht einmal hässlich sein?

Hollands Darbietungen sind auf Kritik gestoßen – die Hoffnung auf Besserung heißt Arjen Robben

In der vergangenen Woche ist das niederländische Volk in seiner Gesamtheit schwer beleidigt worden. Die Beleidigung richtete sich gegen jene Auswahl junger Männer, von denen sich das niederländische Volk repräsentiert fühlt in seinem Sturm und Drang, seiner Leidenschaft und seinem Sinn für Schönheit. Es ging also gegen die Fußball-Nationalmannschaft, sie hat bei der Weltmeisterschaft bisher jedes Spiel gewonnen, aber die feindselig gesinnte Presse mäkelte herum am Stil und verstieg sich zu der Behauptung, die Mannschaft habe „in deutscher Manier“ gespielt.

In deutscher Manier? Geht’s noch? Genauso gut könnte man behaupten, Cees Nooteboom würde seine Novellen im Stil von Heinz Konsalik verfassen. Interessanterweise kommt der Angriff auf Hollands Heiligtum nicht aus Spanien, Brasilien oder Argentinien, also von potenziellen Mitbewerbern, wenn es um Schönheitspreise auf dem Rasen geht. Sondern tief aus der Volksseele, aus der Redaktion des „Telegraaf“, der auflagenstärksten Zeitung des Landes. Ihr Einfluss auf die öffentliche Meinung kommt dem der „Bild“-Zeitung nahe.

Die ungewohnte Kritik entspricht dem zwiespältigen Empfinden der Fans in Amsterdam und Eindhoven, Rotterdam und Den Haag. Noch nie hat eine niederländische Nationalmannschaft eine WM-Vorrunde mit drei Siegen aus drei Spielen beendet. So zufrieden sie daheim mit den Ergebnissen in Südafrika sind, so seltsam berührt sind sie von dem Mangel an Inspiration und der Reduzierung des Spiels auf reine Zweckmäßigkeit. Mit ihrem sachlichen Ergebnisfußball stehen die Niederländer in diesen Tagen für all das, was sie an ihrem ungeliebten Nachbarn seit jeher verabscheuen. Über diesen Unterschied zu den Deutschen definieren die Niederländer ihren Fußball, nur so konnten sie die bitterste aller Niederlage halbwegs verwinden, das 1:2 im WM-Finale 1974 von München: Schönheit hat im niederländischen Fußball noch immer den Mangel an Erfolg kaschiert.

Bert van Marwijk ist der ästhetische Aspekt des Spiels ziemlich egal. „Alle wollen immer tollen Fußball von uns sehen und ein 5:0 zur Halbzeit, aber das geht nicht immer“, sagt der niederländische Trainer. „Man muss auch mal hässliche Spiele erfolgreich gestalten.“ Das gelingt den Niederländern ganz gut. Wenige Mannschaften bei dieser WM vereinen so viel Talent, und keiner anderen ist es gelungen, diese Qualitäten so geschickt zu tarnen.

„Sicher können wir besser spielen und werden es auch noch zeigen“, verspricht Rafael van der Vaart. Was die Verbesserung seiner eigenen Leistung angeht, wird der einstige Hamburger noch warten müssen. Am Montag geht es im Achtelfinale von Durban gegen die Slowaken – voraussichtlich ohne van der Vaart. „Es wird sehr eng für ihn“, sagte Bert van Marwijk, nachdem van der Vaart das Abschlusstraining wegen Wadenproblemen abbrechen musste. Für van der Vaart dürfte der Hamburger Eljero Elia auflaufen. Dabei ruhen die niederländischen Hoffnungen auf einen Wechsel vom vermeintlich deutschen zum mehr niederländisch geprägten Stil eigentlich auf Arjen Robben, doch Bert van Marwijk traut dem Angreifer vom FC Bayern nach auskuriertem Muskelfaserriss noch keinen Einsatz von Beginn an zu. So wird die meiste Verantwortung weiterhin auf einem Spieler lasten, der nicht gerade für das Schöne im holländischen Spiel steht: Mark van Bommel. Er ist der Chef und spielt im Nationalteam wie im Alltag beim FC Bayern München eine Rolle, wie sie Paul Breitner in den achtziger Jahren besetzte. Ganz in diesem Sinne hat van Bommel die bisherigen Spiele charakterisiert mit Begriffen wie „Geduldsspiel“ oder „Ergebnis verwalten“.

Die niederländischen Fans werden sich also noch für ein Kunststück wie Robbens Slamlomlauf samt Pfostenschuss gegen Kamerun gedulden müssen. Die Aktion vor dem 2:1-Siegtreffer durch Klaas Jan Huntelaar entsprach genau dem, was sich die Niederländer von ihrer Elftal erwarten: Schönheit, die erfolgreich macht.

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