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Sport: Das Abenteuer geht weiter

Gilberto soll bei Hertha BSC endlich eine erfolgreiche brasilianische Epoche einleiten

Berlin - In diesen Tagen unternimmt Gilberto viele kleine Ausflüge in die Vergangenheit. Er zieht gemeinsam mit seinem Dolmetscher Alcir Pereira los und besucht in Berlin geschichtsträchtige Orte. Die Topographie des Terrors hat sich der brasilianische Fußballspieler von Hertha BSC schon mit Pereira angeschaut. Den Checkpoint Charlie auch. „Dieses Interesse kommt von ihm“, erzählt Pereira. Gilberto will offenbar in Berlin ein richtiges zu Hause finden.

Gilberto ist neu in Berlin, und er ist nicht irgendeine Verstärkung für den Bundesligaklub Hertha BSC. Im Grunde ist der 28 Jahre alte Gilberto, ohne es zu wissen, Vertreter eines ganzen Volkes. Brasilianische Fußballspieler gelten in Deutschland schließlich immer noch als die besten Facharbeiter ihrer Branche, so wie es indische Computerexperten sind und russische Atomphysiker.

Von diesem Glanz hat der Berliner Bundesligist, der heute die neue Saison gegen den VfL Bochum eröffnet, bisher nicht viel abbekommen. Mit Gilberto unternimmt der Klub nun einen neuen Anlauf. Der Beziehungsgeschichte mit den Brasilianern will Hertha eine freundliche Wendung geben nach einigen Missverständnissen und Misserfolgen. Vier Brasilianer hatten die Berliner seit dem Bundesligaaufstieg 1997 verpflichtet. Von ihnen blieb in der vergangenen Saison nur Marcelinho übrig. Die anderen drei mussten Hertha wegen Leistungsschwäche, Verletzungen oder fehlender Teamfähigkeit wieder verlassen.

Eine Grundsatzdiskussion für oder gegen Brasilianer habe es bei Hertha nie gegeben, sagt Manager Dieter Hoeneß. „Es ist ein Klischee, dass die Nationalität eine so große Rolle spielt.“ Im vergangenen Jahr schien es tatsächlich so, als habe Hertha BSC sein brasilianisches Abenteuer beendet. Dass der Verein nur Europäer verpflichtete, hatte jedoch einen anderen Grund. „Wir hatten keinen brasilianischen Spieler im Auge“, sagt Hoeneß.

In diesem Sommer saß Hoeneß wieder im Flugzeug nach Brasilien. Sechs, sieben Spieler habe er sich gemeinsam mit Trainer Falko Götz angeschaut. Zurück kam er mit Gilbertos Zusage. Hoeneß und Götz hatten sich mit ihm intensiv unterhalten. Hertha wollte nicht mehr den gleichen Fehler machen wie bei Alex Alves. Der spielte bei Hertha, ohne richtig dazuzugehören. Er beleidigte Kollegen und führte sich auf wie eine Diva. In seiner ausgezeichnet bezahlten Arbeitszeit erzielte er viel weniger Tore als erwartet. „Außer mit Alex Alves haben wir charakterlich mit jedem Brasilianer Glück gehabt“, sagt Hoeneß. Nur habe es viel Verletzungspech gegeben, weshalb auch Luizao und Nené gehen mussten.

Bei Gilbertos Verpflichtung haben die die Berliner offenbar versucht, nicht nur mit Fachverstand, sondern auch mit Menschenkenntnis zu entscheiden. „Er ist sehr diszipliniert und tut alles für seinen Beruf“, sagt Falko Götz. Auch sein Integrationswille beeindruckt den Berliner Trainer: „Er geht auf die Spieler zu und fragt viel.“

Schon Mitte Juli im Trainingslager hat Gilberto damit begonnen. Offen und freundlich gab er sich. „Ich möchte mich anpassen und zeigen, dass auch andere von mir profitieren können“, sagte er. Der Mensch, der mit ihm am meisten Zeit verbringt, hat sich schon oft über ihn gewundert. Alcir Pereira kümmert sich bei Hertha als freier Mitarbeiter um die Brasilianer und erzählt: „Als ich ihn zum ersten Mal sah, hat er mir gleich ein Deutschbuch gezeigt.“ Dann überraschte ihn Gilberto mit seinem Interesse für Geschichte. So viel Aufgeschlossenheit hatte Pereira nicht erwartet. Bis Gilbertos Familie nach Berlin kommt, wird Pereira mit ihm noch einige Ausflüge machen. Sprachunterricht erteile er ihm ohnehin zwei- bis dreimal die Woche.

Fehler habe Hertha bei der Integration der Brasilianer nicht gemacht, findet Pereira. „Es war einfach Unerfahrenheit.“ Inzwischen achte der Verein aber genau auf bestimmte Dinge. Etwa, dass die Brasilianer eine gute Wohnung finden, gute Verträge abschließen und ihren Führerschein machen. Alex Alves war auch ohne Führerschein gefahren und das noch viel zu schnell.

Vielleicht beginnt mit Gilberto wirklich eine neue brasilianische Epoche bei Hertha. Er könnte zusammen mit Marcelinho ein gutes Team bilden. Auch Marcelinhos Integration macht Fortschritte. Im Trainingslager hat er angekündigt, er wolle in einem halben Jahr sein erstes Interview auf Deutsch geben.

Heute im Fernsehen:

Hertha BSC – VfL Bochum,

live auf Premiere.

SPIELBEGINN 15.30 Uhr

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