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Sport: Das böse Wort Manipulation

Junger Schiedsrichter fiel mit vier Platzverweisen auf – mit juristischen Folgen

Berlin - Thomas Metzen war am Mittwoch schon wieder im Einsatz, er leitete das Junioren-Bundesligaspiel zwischen Borussia Mönchengladbach und Wattenscheid 09. Es gebe keinen Grund, den Schiedsrichter nicht einzusetzen, meint dazu Manfred Amerell, Mitglied im Schiedsrichterausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Amerell sagt es so: „Wenn jemand einen Unfall hatte, ist es das Beste, wenn er gleich wieder ins Auto steigt.“ Amerell vertraut Metzen.

Die Unfallmetapher bezieht sich auf ein Fußballspiel der Regionalliga Nord, das, aus Schiedsrichtersicht, unglücklich verlief. Nachwuchsschiedsrichter Thomas Metzen, 24, hatte am Wochenende das Spiel zwischen Rot-Weiß Essen und dem VfL Osnabrück (2:1) geleitet und dabei vier Osnabrücker Spieler vom Platz gestellt, drei mit Gelb-Roter Karte, Kapitän Markus Feldhoff mit Roter Karte. Als Osnabrück zwischenzeitlich zu acht spielen musste, ab der 77. Minute, schossen die Essener das Ausgleichs- und das Siegtor. Am Ende bekam noch ein Spieler Gelb-Rot wegen Meckerns. Die Folge: Der VfL Osnabrück schaltete Rechtsanwalt Horst Kletke ein, der im Wettskandal um Schiedsrichter Robert Hoyzer betroffene Vereine vertreten hatte. Kletke legte für den Verein fristgerecht Einspruch beim DFB-Sportgericht ein. Der Vorwurf lautet auf Spielmanipulation.

Das Wort Manipulation ist in diesem Fall zunächst ein juristischer Ausdruck. Paragraf 17 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB verlangt für den Fall eines Einspruchs eine gute Begründung. Da der Schiedsrichter nicht die Regeln verletzt hat, wohl kein Spieler gedopt war und auch kein Tor eingestürzt ist, blieb nur: Manipulation. Osnabrücks Geschäftsführer Ralf Heskamp sagt, dieser Vorwurf heiße nicht, dass man Schiedsrichter Metzen Absicht unterstelle.

Genau das aber bedeute Manipulation, sagt Amerell: „Das ist nicht nur ehrverletzend und üble Nachrede, das schadet auch dem Fußball.“ Amerell hat beobachtet, dass die „Dreistigkeit von Spielern“ im Umgang mit Schiedsrichtern spürbar zugenommen habe: „Dass mal jemand in die falsche Richtung pfeift, ist nicht außergewöhnlich. Dass sich danach eine Mannschaft beschwert, auch nicht. Aber jemandem Manipulation vorzuwerfen, das hatten wir vor dem Fall Hoyzer nicht.“

Der Anwalt des VfL Osnabrück stützt den Vorwurf, auf dem der Einspruch gegen die Wertung des Spiels beruht, auf drei Argumente. Erstens auf die Tatsache, dass vier Feldverweise in nur einer Halbzeit gegen eine Mannschaft eine „sehr auffällige Spielgestaltung“ seien – es habe in der Regionalliga noch keinen vergleichbaren Fall gegeben. Zweitens auf die Behauptung von Osnabrücks Spieler Björn Juppe, Metzen habe während des Spiels zu ihm gesagt: „Ihr gewinnt hier sowieso nicht.“ Wenn ein Schiedsrichter so etwas sage, müsse er sich natürlich verantworten, sagt Manfred Amerell. Aber nicht Metzen müsse widerlegen, das gesagt zu haben, sondern Juppe müsse es beweisen.

Zum Dritten stützen sich die Osnabrücker auf die Tatsache, dass der Essener Spieler Alexander Löbe sich nach dem Spiel in der Schiedsrichterkabine aufgehalten habe. Ein Spielbeobachter bestätigt das auf Nachfrage; er spricht von etwa zehn Minuten. Dass Löbe, damals beim SC Paderborn, von Robert Hoyzer beschuldigt worden war, in den Wettskandal verwickelt zu sein, macht die Sache zusätzlich brisant. Löbe beteuerte damals an Eides statt seine Unschuld und sagte, sich nach Spielen beim Schiedsrichter zu bedanken, eventuell auch in der Kabine, sei für ihn „praktiziertes Fairplay“. Essens Geschäftsführer Nico Schäfer sagt, nach jedem Spiel gehe ein Spieler zum Schiedsrichter – auch nach Niederlagen wie zuletzt in Kiel. Und Löbe sei Mitglied des Mannschaftsrats.

Der DFB, dessen Sportgericht das letzte Wort haben wird, hatte nach dem Fall Hoyzer einen Vertrag mit Betradar abgeschlossen, einem Frühwarnsystem, das Quotenveränderungen bei 174 Wettanbietern im Zwei-Minuten-Intervall misst und auffällige Veränderungen sofort meldet. In diesem Fall, sagt der beim DFB dafür zuständige Willi Hink, habe es „weder besonderes Wettverhalten noch erhöhte Umsätze gegeben“.

Klaus Raab

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