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Sport: Das Ende der Hätschelei

Die Volleyballer des SC Charlottenburg befinden sich in der tiefsten Krise seit vielen Jahren

Von Karsten Doneck, dpa

Berlin - Frank Dehne ist als Zuspieler für die Kreativität zuständig, Björn Andrae schmettert die Bälle übers Netz. Es ist Weltmeisterschaft im fernen Japan, und viele Spieler wie Dehne oder Andrae, die einst in Berlin beim SC Charlottenburg für höhere Aufgaben ausgebildet wurden, zählen dort zur deutschen Volleyball-Nationalmannschaft.

Parallel zu dieser WM trat der SCC am Sonntag beim TSV Unterhaching zu einem gewöhnlichen Bundesligaspiel an. Warum auch nicht? Aktuelle Nationalspieler haben die Charlottenburger inzwischen nicht mehr. Ihr einziger WM-Kandidat, der Zuspieler Jaroslav Skach, verzichtete freiwillig auf das Dabeisein in Japan. Skach erklärte, er wolle lieber seinem Klub helfen, als mit Tschechien international um Ruhm zu kämpfen.

Ehrenwert ist Skachs Verhalten allemal. Nur genutzt hat es dem SCC nichts. Die Charlottenburger steuerten mit dem 0:3 in Unterhaching in ihre tiefste Krise seit vielen, vielen Jahren. Erst zehn Spiele und schon vier Niederlagen, nur noch Tabellenplatz fünf – der SCC beklagt einen kompletten Fehlstart in die Saison, er befindet sich schnurstracks auf dem Weg in biederstes Mittelmaß. „Wir waren im Block klar unterlegen“, erkannte Trainer Michael Warm nach der jüngsten Niederlage, „Wir machen immer wieder völlig bedepperte Anfängerfehler, da könnte ich mir vor Wut jedes Haar einzeln vom Kopf reißen“, ereifert sich Manager Kaweh Niroomand.

Der SCC leidet unter dem vor der Saison vollzogenen Umbruch. Mit dem Verzicht auf Routinier Marko Liefke für die Diagonalposition und auf Nisse Huttunen als Libero luden sich die Charlottenburger gleich zwei Probleme auf: Nicht nur die beiden zentralen Positionen mussten gleichwertig oder besser besetzt werden, sondern auch zwei Identifikationsfiguren gingen verloren. Seitdem spult der SCC sein Pensum auf dem Feld irgendwie recht emotionslos herunter. Abhilfe? Niroomand rät zur brachialen Vorgehensweise: „Wir müssen härtere Saiten aufziehen, es muss Schluss sein mit der ganzen Hätschelei. Notfalls muss man unsere Spieler auch mal in den Hintern treten.“

Damit lassen sich freilich die Schwächen auf der Diagonalen auch nicht beheben. Weder Falko Steinke, 21 Jahre jung, noch Jovan Vukanovic, 29 Jahre alt, genügen derzeit gehobenen Bundesliga-Anforderungen. Wobei bei Steinke das Problem mehr in fehlender Konstanz liegt. „Der haut zwei Dinger ins Feld, da denkst du, der Ball platzt. Und die nächsten beiden landen unterm Arm eines Zuschauers auf der Tribüne“, sagt Niroomand, hofft aber: „In zwei Jahren ist Steinke so weit.“

So lange kann der SCC nicht warten. Um sich in einer Stadt wie Berlin in einer nicht übermäßig beachteten Sportart wie Volleyball zu behaupten, braucht der Verein Erfolg, und zwar permanent. Schon das Herumtingeln des SCC in den vergangenen Jahren auf Platz drei und vier übte gerade auf potenzielle Sponsoren wenig Reiz aus. Immerhin lebt der SCC in dieser Saison mit einem Etat von 750 000 Euro.

Auch der Trainer muss sich inzwischen Kritik gefallen lassen. Niroomand sagt zwar: „Michael Warm macht gute Arbeit.“ Aber dann schließen sich auch gleich Verbesserungsvorschläge an: „Er muss jetzt mal mehr Druck auf die Spieler ausüben.“ Und das Kardinalproblem, die Besetzung der Diagonalposition, will der SCC auch angehen. Es gibt vage Überlegungen, sich nach einem neuen Spieler umzusehen, auch wenn die finanzielle Belastung für einen solchen Transfer nur schwer zu verkraften wäre.

Zumindest Frank Bachmann, der Kapitän, hat die Notlage erkannt. Nach dem 0:3 in Unterhaching hielt er im Bus bei der Rückfahrt eine flammende Rede. Ob das hilft? Am Sonntag (16 Uhr, Sömmeringhalle) bekommt es der SCC mit Bayer Wuppertal zu tun. Wieder so ein unbequemer Gegner. Und inzwischen auch schon zu stark für den SCC?

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