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Ex-Nationalspieler auf der Polizeistation. Giuseppe Signori (rechts) spielte zwischen 1992 bis 1995 28 Mal für Italien, jetzt ist er mutmaßlich in einen Wettskandal verwickelt. Foto: dpa

© dpa

Sport: Das Ergebnis vor dem Spiel gemeldet

Der Spuren des aktuellen Wettskandals in Italien führen in die Erste Liga – und zur Mafia

Bis vor kurzem schien der neue Betrugsskandal in Italiens Fußball nur die unteren Ligen zu betreffen. Doch nun zieht der Wettskandal immer größere Kreise, nach ersten Verhören sollen drei Serie-A- Spiele von Wettbetrügern manipuliert worden sein. Und nun gibt es auch noch Spuren von Mafia-Beteiligungen. Inwieweit es sich dabei nur um alte Gerüchte handelt oder um heiße Spuren zu einem größeren Komplott handelt, ist allerdings zurzeit noch unklar.

„Die Mafia ist an allem interessiert, was Geld bringt“, sagt Raffaele Cantone, ein früherer Camorrajäger und jetziger Richter am Kassationsgericht in Rom. Die Erkenntnis des Mannes, der schon vor sieben Jahren aufdeckte, wie die Camorra die Aktienmehrheit beim Serie-A- Klub Lazio Rom erwerben wollte, erfährt im Zuge des Wettskandals im italienischen Fußball neue Bestätigung. „Es wurden derartig hohe Wetteinsätze getätigt, dass wir Geldwäsche durch mafiose Organisationen nicht ausschließen können“, gab der leitende Staatsanwalt aus Cremona, Roberto Di Martino, bekannt. Einem der Wettbetrüger, dem ehemaligen Kapitän des Serie-A-Absteigers AS Bari Antonio Bellavista, werden Kontakte zur apulischen Verbrecherorganisation Sacra Corona Unita nachgesagt.

Während in der Cremona-Ermittlung die Mafia-Vorwürfe noch vage bleiben, kam von Cantones alter Arbeitsstätte, der Staatsanwaltschaft Neapel, die Nachricht: „Wir ermitteln in einem Komplex von Wettmanipulationen und organisierter Kriminalität in großem Maßstab. Es handelt sich um Betrügereien bei nationalen und internationalen Wettagenturen.“

Das passt ins Bild. Der Jahresbericht 2010 der staatlichen Wettaufsicht AAMS zählte in Italien einen Umsatz von 60 Milliarden Euro bei den legalen Wetten und weitere 60 Milliarden Euro bei den illegalen Wetten. Vor allem dort sei die Mafia aktiv, bestätigte einer der Ermittler aus Neapel dem Tagesspiegel. „Sie installiert Spielautomaten und ,vergisst’, sie ans staatliche Kontrollsystem anzuschließen.“, erklärt der Ermittler. „Die Mafia lässt Wetteinsätze auf den Straßen sammeln, wälzt die Verluste der eigenen Bank über systematisch gefälschte offizielle Wettscheine an die legalen Wettanbieter ab und holt sich über Gewinnerlose frisches, selbst für die Finanzbehörden sauberes Geld ab.“ Dies habe die Ermittlung „Golden Goal“ ergeben, ein Vorläufer der aktuellen Operation „Last Bet“.

Inwieweit die Mafia selbst Einfluss auf das Spielgeschehen nahm, ist aber unklar. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Neapel ergaben, dass unterklassige Vereine aus Kalabrien der Camorra regelmäßig vorab die Spielergebnisse „meldeten“ und so sichere Tipps ermöglichten. In der Saison 2009/2010 geschah dies womöglich sogar mit einem Spiel der Serie A. Die Partie Neapel gegen Parma zog besondere Aufmerksamkeit auf sich, weil „eine größere Anzahl von Personen, die als dem Camorra-Clan Lo Russo nahestehend gelten, in der Halbzeitpause Wetten auf einen Sieg Parmas abschlossen“, wie die Carabinieri im Juni 2010 in einem Bericht feststellten. Zur Halbzeitpause stand es noch 1:0 für Neapel, nach 90 Minuten hatte Parma 3:2 gewonnen. Gerichtsfeste Beweise für ein betrügerisches Vorwissen der mutmaßlich der Camorra nahestehenden Wetter ergaben die Untersuchungen aber nicht.

Die aktuellen Hinweise auf drei angeblich verschobene Partien in der Serie A in dieser Saison (AC Florenz gegen AS Rom 2:2, US Lecce gegen US Cagliari 3:3 und CFC Genoa gegen US Lecce (4:2) sind bislang nur von den Aussagen eines Verdächtigen des aktuellen Betrugsskandals gedeckt. Klarer liegt der Fall bei Inter Mailand gegen Lecce (1:0). Hier hatte der mit einer halben Million Euro Wettschulden belastete Drittliga-Torhüter Marco Paoloni seinen Gläubigern suggeriert, er könne für drei Tore im Spiel garantieren. Er erhielt Morddrohungen vom Steuerberater des Ex-Nationalspielers Giuseppe Signori, als die Partie beim Stande von 1:0 abgepfiffen wurde. Zumindest mafioses Gebaren scheint salonfähig in Italiens Fußballwelt.

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