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Sport: Das erste Donnerwetter

Von Michael Rosentritt Kaprun. Die Nacht hatte sich gerade über Kaprun, einem Urlauberörtchen am Fuße des Kitzsteinhorns, verzogen, da war es auch schon vorbei mit der Herrlichkeit.

Von Michael Rosentritt

Kaprun. Die Nacht hatte sich gerade über Kaprun, einem Urlauberörtchen am Fuße des Kitzsteinhorns, verzogen, da war es auch schon vorbei mit der Herrlichkeit. Zumindest für eine relativ bekannte Reisegruppe aus Berlin. Herthas neuer Trainer Huub Stevens kam nach dem 8-Uhr-Frühstück mit der Mannschaft noch einmal auf die Niederlage am Abend zuvor zu sprechen. Hertha hatte das Testspiel gegen Legia Warschau mit 0:1 verloren. Hinter verschlossenen Türen soll es für 30 Minuten recht ungemütlich geworden sein. In seiner Analyse ließ Stevens nicht einen Spieler aus. In den Augen des Trainers, der individuelle Fehler und Müdigkeit in dieser Phase der Vorbereitung nachsieht, hatte sich die Mannschaft eines unverzeihlichen Vergehens schuldig gemacht. „Beim Gegentor stimmte unsere Organisation auf dem Platz nicht.“ Wenn Stevens so etwas sagt, ist das die Höchststrafe für die Mannschaft.

Anstelle neuer, teurer Spieler wurde der niederländische Trainer geholt, um die Mannschaft weiterzuentwickeln. Stevens ist kein Entertainer und kein Zauberer. Ihn umgibt keine Magie. Stevens gilt als ein konsequenter Arbeiter mit hohem taktischen und motivierendem Geschick. Seine Philosophie besteht im Grunde genommen aus einem Wort: Organisation. Es gibt feste Absprachen, was die Laufwege der Spieler anlangt sowie situationsbedingte Verhaltensweisen. Nicht der Einzelne entscheidet Spiele, sondern die Organisation des Einzelnen in der Gesamtheit.

Während Manager Dieter Hoeneß die Niederlage gegen den polnischen Meister unter der Kategorie Nichts-weiter-als-ein-Schönheitsfehler ablegte, rumorte es in Stevens. „Fehler dürfen gemacht werden, müde dürfen die Spieler jetzt auch noch sein, aber dass wir nach einer eigenen Ecke ein Gegentor kassieren, darf nicht passieren. Da stimmte die Organisation auf dem Platz nicht.“ n nannte Stevens nicht, gemeint war aber vor allem Alex Alves, der, weil er bei der Ecke falsch stand, den direkten Gegenzug der Polen überhaupt ermöglichte.

Im anschließenden Sekundenfilm mit dem Titel „Fehlerkettenreaktion“ spielten Rob Maas, Michael Hartmann und Alexander Mladenow die anderen Hauptrollen. „Von mir werden Sie keine Namen hören“, sagte Stevens. Der Einzelne zähle nicht, sondern nur das Kollektiv. Das kennt man bereits aus der Zeit, die Stevens als Trainer beim FC Schalke 04 verbrachte. Es käme Stevens nie in den Sinn, einzelne Spieler aus der Mannschaft öffentlich hervorzuheben. Ebenso wenig wird er den Einzelnen in der Öffentlichkeit runterputzen. Intern aber werden deutliche Wort gefunden.

Unter dem Eindruck der ersten Niederlage frotzelte einer der vielen Hertha-Fans, die ihrer Mannschaft nachgereist sind, schon mal: Ist Huub Stevens noch der Richtige? Der niederländische Trainer wird sich und der Mannschaft andere Fragen gestellt haben. Nach der energischen Ansprache des Trainers durften sich die Spieler in der Berg- und Waldwelt rund um Kaprun die Füße vertreten.

Natürlich unter Anleitung des Konditionstrainers Carsten Schünemann, der auf eine solche Gelegenheit schon lange gewartet haben dürfte. Gegen Mittag kehrten die Spieler entsprechend gezeichnet ins Hotel zurück. Ausgenommen waren die beiden Ersatztorhüter Christian Fiedler und Tomasz Kuszczak sowie Bart Goor, die gegen Legia nicht zum Einsatz gekommen waren. Die beiden Torhüter trainierten mit Herthas Torwarttrainer, Goor erhielt Einzeltraining von Stevens.

Am Nachmittag mochte sich keiner der Spieler vorstellen, wie es wohl mit dem Trainer sein wird, wenn der Gegner nicht Legia Warschau, sondern – sagen wir Borussia Dortmund heißt. Am 9. August beginnt für Hertha beim Deutschen Meister die Bundesligasaison. Es wäre für alle Beteiligten besser, wenn bis dahin die Organisation stimmt.

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