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Sport: Das Fest der Familie

Die Biathlon-WM war geprägt vom Ehepaar Poirée, deutschen Erfolgen und lärmenden Zuschauern

Oberhof. Hoffentlich hat Familie Poirée daran gedacht, einen leeren Koffer mit nach Oberhof zu bringen. Sonst dürfte es schwierig werden mit dem Transport der vielen Pokale. Während ihre einjährige Tochter Emma mit dem Kindermädchen im Hotel spielte, gewann die Norwegerin Liv Grete Poirée bei der Biathlon-Weltmeisterschaft in Oberhof vier Goldmedaillen, ihr französischer Ehemann Raphael holte dreimal Gold, einmal Silber und einmal Bronze.

Erfolgreicher als Familie Poirée war keine Nation in Oberhof, doch auch die Deutschen können zufrieden sein. Statt Emma haben sie Emilia Sophie; die Tochter von Staffel-Weltmeister Sven Fischer kam nach dem Verfolgungsrennen auf die Welt. Und an Medaillen mangelt’s nicht. Sie gewannen zweimal Gold (Ricco Groß, Männerstaffel), dreimal Silber (Groß, Martina Glagow, Katrin Apel) und zweimal Bronze (Glagow, Frauen-Staffel). Thomas Pfüller, der Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes, hatte vor der WM je drei Medaillen bei Frauen und Männern als Ziel ausgegeben und zog zufrieden ein Fazit: „Die sportlichen Ziele sind übererfüllt worden. Die Trainer haben es verstanden, die Sportler auf den Tag genau in Form zu bringen.“ Und das, obwohl die Männer bis kurz vor der WM mehr durch hintere als durch vordere Plätze in Erscheinung getreten waren. Doch gerade sie erzeugten mit ihrem Staffelerfolg die größten Emotionen. In einem fantastischen Rennen verteidigten die Deutschen mit nur zwei Fehlschüssen ihren Titel – mit Startläufer Frank Luck, der nach einer schwachen Saison bei seinem einzigen Einsatz in Oberhof sein elftes WM-Gold gewann und zum erfolgreichsten Biathleten aller Zeiten wurde.

Positiv zu bewerten sind auch die vierten Plätze von Groß und Simone Denkinger, ein fünfter Platz von Michael Greis und Rang 14 von Nachwuchsbiathlet Andreas Birnbacher. Bei den Frauen, zuvor stärker eingeschätzt als die Männer, hing bis zu Apels Erfolg im Massenstart jedoch fast alles an Martina Glagow. Die Olympiasiegerinnen Andrea Henkel und Kati Wilhelm fanden auch bei der WM nicht aus ihrem Formtief. Henkel wurde bei ihrem einzigen Start 26., Wilhelm in ihrem besten Rennen Zehnte. In der Staffel brachte sie die Deutschen mit unzähligen Fehlschüssen um die Silbermedaille. Allerdings fiel mit Uschi Disl eine Favoritin bis zum Massenstart-Rennen krank aus. Trotz Trainingsrückstands, Sturz und Problemen mit ihrem Gewehr wurde sie am Sonnabend Neunte. Wäre sie gesund gewesen, dann wäre die Medaillenbilanz der Deutschen mit großer Wahrscheinlichkeit noch besser ausgefallen, als sie es jetzt schon ist. „Ich bin mit vier Medaillen sehr zufrieden. Es lag ein gewaltiger Druck auf den Mädchen, sie haben ihre Aufgabe sehr gut gelöst", sagte Damentrainer Uwe Müssiggang.

Auch das war die WM: Fans, die einen solchen Lärm machten, dass die Athleten zeitweise einen Gehörsturz befürchteten. Mehr als 200 000 Zuschauer sahen die Wettkämpfe vor Ort. Anders Besseberg, der Präsident der Internationalen Biathlon Union, sprach von „einer hervorragenden WM im modernsten und besten Biathlon-Stadion, das es gibt“. Doch die Euphorie war nur die eine Seite. Es gab auch Windböen am Schießstand, Nebel, zeitweiliges Verkehrschaos und einen wegen Stasi-Verwicklungen zurückgetretenen Wettkampfleiter, der dennoch ständig präsent war. Karl-Heinz Wolf, einst von der Mielke-Behörde als „IM Ernst“ geführt, war nun Inoffizieller Mitarbeiter der WM. Janez Vodicar, Sportdirektor der IBU, dankte Wolf denn auch für „seinen Einsatz bis zuletzt“.

Es herrscht aber keineswegs nur Harmonie zwischen dem Weltverband und den Deutschen. Im September entscheidet die IBU, ob Mixed-Staffeln, die bisher nur bei Show-Wettkämpfen etwa in der Arena Auf Schalke antreten, in das offizielle Programm aufgenommen werden. Besseberg ist dafür, Pfüller dagegen. „Das Wettkampfprogramm ist groß genug", sagte Pfüller. Aber Mixed-Staffeln mit Läufern gleicher Nationalität wären immer noch besser als Familien-Staffeln. Gegen Liv Grete und Raphaël Poirée hätte sicher niemand eine Chance.

Helen Ruwald

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