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Sport: Das geht ans Herz

Berlin will im Kampf um die Leichtathletik-WM 2009 die Gefühle der Funktionäre wecken

Berlin - Irgendwann werden auf der Videoleinwand fröhliche Kinder auftauchen, die in die Kamera lachen. Es sind Kinder aus allen fünf Kontinenten, ihre Begeisterung rührt die Herzen der älteren Männer, die ihnen zuschauen, und plötzlich stehen sie live da, die Kinder. Auf der großen Bühne in einem Festsaal eines Luxushotels in Helsinki. Das Publikum ist gerührt, vor allem die 27 Mitglieder der Führungsebene des Welt-Leichtathletik-Verbands IAAF, die im Raum sitzen, sind bewegt, netter Applaus. So soll es werden, das ist die Hoffnung. Die Mitglieder des Bewerbungskomitees von Berlin, die um die Leichtathletik-WM 2009 kämpfen, haben diese Idee mit den Kindern abgesegnet. Es geht um Emotionen, um Gefühle, das ist ganz wichtig am 5. Dezember. An diesem Tag nämlich wird das IAAF-Council entscheiden, wer die WM 2009 austragen darf. Und für den Kandidaten Berlin geht es nur um eine einzige Frage: Wie erreicht man die Gefühlsebene der Funktionäre?

Die Fakten sprechen für Berlin, das ist bekannt. Aber 2003, als über den WM-Ort 2005 entscheiden wurde, sprachen die Fakten auch für Berlin, damals aber gewann Helsinki. Und Berlin scheiterte nicht bloß an sportpolitischen Machtkämpfen im Hintergrund, sondern auch an Gefühlskälte. Die Bewerber erreichten in ihrer WM-Präsentation in Nairobi nicht die Herzen der Council-Mitglieder. Die wollen nicht bloß schöne Fakten sehen, sondern auch Emotionen spüren. Schließlich betrachten die Funktionäre die Leichtathletik-Szene als große Familie.

Diesmal sind die Berliner WM-Bewerber besser vorbereitet als 2003. Sie reisen zum Beispiel schon drei, vier Tage vor der Abstimmung an. In Nairobi schwebte die Delegation am Freitagabend ein, prompt verpasste die Gruppe den offiziellen IAAF-Empfang. „Das wurde genau registriert“, sagt IAAF-Vizepräsident Helmut Digel. Am Sonntag dann scheiterte Berlin an Helsinki. Auch die 20-minütige Präsentation wird im Dezember professioneller durchgezogen. Ein sehr erfahrener Moderator wird auf der Bühne stehen, die zweimalige Olympiasiegerin Heike Drechsler wird als offizielle WM-Botschafterin für Berlin werben, die Kinder sollen für viel Gefühl sorgen. Und natürlich wird Klaus Wowereit, der Regierende Bürgermeister von Berlin, den Council-Mitgliedern die Vorzüge Berlins erklären.

Das ähnelt in vielem der Regie von 2003. Die Unterschiede zu damals liegen im Detail. Damals trug Heike Drechsler ihren Text eher brav vor, Clemens Prokop, der Chef des Deutschen Leichtathletik-Verbands, beantwortete Fragen der Council-Mitglieder ohne Dolmetscher stotternd auf Englisch, und seine Rede musste kurzfristig umgeschrieben werden. Sie klang im Testlauf doch zu bieder. Diesmal ist alles besser organisiert und vor allem emotionaler. Die Idee mit den Kindern haben die Berliner quasi Helsinki abgeschaut. Die Finnen haben 2003 Kinder auf der Bühne singen lassen.

Aber natürlich reicht es nicht aus, ein paar winkende Kinder auf eine schön geschmückte Bühne zu stellen. Die Council-Mitglieder sind schließlich welterfahren. Deshalb arbeitet das Bewerbungskomitee seit Monaten an der Kontaktpflege. Bei der IAAF- Council-Sitzung in Berlin im November 2003 zum Beispiel wurden die Funktionäre zum Empfang mit Bundesinnenminister Otto Schily und dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit geladen. „Wir wollten zeigen, dass die ganze Politik hinter der Bewerbung steht“, sagt Christoph Kopp, der Präsident des Berliner Leichtathletik-Verbands und Mitglied des Bewerbungskomitees.

Auch bei IAAF-Meetings war der Kandidat Berlin unauffällig, aber doch deutlich genug präsent. Bei der Hallen-WM in Budapest gab’s einen Infostand, auf dem das Istaf und damit das Olympiastadion präsentiert wurde, und beim Grand-Prix-Finale in Monaco am Wochenende wird, wie schon 2003, auch Wowereit auftauchen. Selbstverständlich reist er auch mit nach Helsinki.

Dort soll jeder Anstrich peinlicher Anbiederung vermieden werden. Berlin sieht sich schließlich als Weltstadt, das verpflichtet. „Mit Schuhplattlern“, sagt Kopp, „tauchen wir bestimmt nicht auf.“

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