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Sport: Das Glück in der Wüste

Rallyefahrerin Andrea Mayer findet bei der Rallye Dakar mehr als den Weg zum Ziel

Berlin. Es sind die Geschichten berühmter Bergsteiger, für die sich Andrea Mayer besonders interessiert. Gerade liest sie das Buch „Abstieg zum Erfolg“ von Hans Kammerlander, in dem der Autor über Abenteuer in Fels und Eis, eigene Grenzen, Risiko, Tod und Momente des Glücks schreibt. „Unsere Geborgenheit lässt kaum Freiraum für Abenteuer und Grenzerfahrungen“, begründet die Allgäuerin ihre Vorliebe für diese Art Literatur, „die wahren Glücksgefühle kann ich nicht in einer geborgenen Welt empfinden.“ Besonders gefällt ihr diese Aussage des Südtirolers: „Ein Gipfel gehört dir erst, wenn du wieder unten bist.“

Andrea Mayer bezieht das ganz auf sich, auf ihren Job als Extrem-Rallyefahrerin. Kammerlander hat dreizehn der vierzehn Berge, deren Gipfel über 8000 Meter hoch liegen, bestiegen. Mayers 8000er ist die Wüste. Sechsmal hat sich die 35-Jährige mit dem Motorrad von Frankreich aus auf den Weg ins senegalesische Dakar begeben, bei der berühmtesten und zugleich berüchtigsten Rallye der Welt. Am Neujahrstag 2004 wird sie in Clermont-Ferrand erneut die rund 11 000 Kilometer in Angriff nehmen, zum zweiten Mal auf vier Rädern. Diesmal wird ihr eine besondere Ehre zuteil: Für Mitsubishi darf Mayer als Werksfahrerin den Pajero T2 fahren, mit dem der Japaner Hiroshi Masuoka 2003 die 25. Auflage der Rallye gewonnen hatte.

Damit steht Andrea Mayer diesmal mit jener Frau auf einer Stufe, die bis heute nach ihrem Erfolg bei der Dakar-Rallye als die Wüsten-Königin gilt: Jutta Kleinschmidt. Durch den Zweikampf zwischen den beiden deutschen Frauen, bei dem Kleinschmidt den neuen Race-Tuareg von VW fahren wird, bekommt die kommende Tour einen besonderen Reiz. Generell gelten Frauen im Motorsport nicht mehr als Exotinnen. Doch der 18 Tage lange Trip durch die Wüste, an dem 140 Autos teilnahmen, ist für Frauen noch längst nicht alltäglich. „Das hat auch mit den Begleitumständen zu tun“, sagt die Mitsubishi-Fahrerin. „Für eine Frau ist es in der Wüste einfach schwieriger, ohne sanitäre Anlagen und nur mit einer Katzenwäsche. Und dann muss ich auch noch weiter laufen als ein Mann, um für andere Bedürfnisse aus dem Blickfeld zu kommen.“

Dennoch betont Andrea Mayer, dass ihr die Tortur nichts ausmacht: „Mit der Hitze habe ich keine Probleme.“ Mayer sagt, dass ihre Leidensfähigkeit groß genug sei, außerdem gibt es ja auch positive Seiten einer solchen Extremsituation. Zum Beispiel die Intensität der zwischenmenschlichen Beziehungen während der Rallye. „Sie erreichen eine andere Qualität als im Alltag“, sagt sie. „Mit den Qualen, denen der Körper ausgesetzt ist, verliert man seine Fassade. Etwas Aufgesetztes gibt es da nicht mehr, alles wird plötzlich ehrlicher. Die wahren Charaktereigenschaften treten dann hervor.“

Wer so in Extremen denkt und fühlt wie Andrea Mayer, hat es wohl nicht leicht, einen festen Lebenspartner zu finden. Es gibt nur wenige Männer, „die meinen Lebensstil akzeptieren. Ich wünsche mir schon eine andere Situation“, sagt sie. Vor allem dann, wenn sie allein in ihrem abseits gelegenen Haus in Hiemenhofen im Allgäu ist, fehlt ihr etwas. „Andererseits ist es schön hier, wenn ich aus dem Fenster sehe, dann gibt es nur Berge, Wiesen und Kühe.“ Andrea Mayer möchte dort, 800 m hoch, auf jeden Fall bleiben. So zu leben wie ihr Beifahrer Andreas Schulz, der in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Dubai, sein Zuhause hat, kann sie sich nicht vorstellen. So weit geht die Liebe zur Wüste dann doch nicht. Sie ist ja ohnehin oft genug dort. Die Rallye Dakar, die als Paris – Dakar berühmt wurde, ist nicht die einzige Herausforderung für sie auf dem afrikanischen Kontinent. In Marokko und Tunesien war sie in diesem Jahr bereits erfolgreich unterwegs.

Zusammen mit Andreas Schulz, der auch bei den Dakar-Triumphen von Kleinschmidt und Masuoka auf dem Beifahrersitz saß, kommt Andrea Mayer diesmal eine besondere Aufgabe zu: „Wenn es nötig wird, sollen wir unseren drei Topfahrern Masuoka, Peterhansel und Biasion helfen.“ Dann müsste sie die eigenen Ambitionen hinten anstellen. Kein Problem für Mayer, eine Bergsteigergruppe muss für den Erfolg schließlich auch zusammenhalten wie Pech und Schwefel. Das steht auch in den Büchern von Kammerlander. „Am Annapurna gab es mehr Tote als Gipfelbesteigungen“, erzählt Mayer. „Und einige von denen, die oben ihren Erfolg gefeiert hatten, blieben dann doch noch auf der Strecke.“

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