zum Hauptinhalt

Sport: Das Gold schmilzt im Schnee

Wegen eines Wetterumschwungs bleibt dem favorisierten Tobias Angerer bei der Ski-WM nur die Bronzemedaille

Tobias Angerer war noch nicht losgelaufen, da hatte er schon keine Chance mehr auf Gold. Rund ums Starthäuschen des Langlaufstadions in Shirahatayama wurde der Schneesturm immer stärker, und als der Weltcup-Spitzenreiter sich endlich als Letzter beim 15-Kilometer-Freistilrennen der Ski-WM in Bewegung setzen konnte, war die Spur bereits so langsam, dass an den Sieg nicht zu denken war. Nach drei Kilometern hatte Angerer, als flotter Starter bekannt, eine halbe Minute Rückstand auf die Spitze. Als er nach halber Strecke durchs Stadion lief, rief der Sprecher: „Niemand wird Lars Berger schlagen.“

Denkwürdige Umstände verhalfen dem norwegischen Biathleten Berger, der gelegentlich als Langläufer gastiert, zum Weltmeister-Titel. Einen Großteil des Rennens hatte er unter tadellosen Bedingungen hinter sich gebracht. Aber auch für Angerer hielt der Wettbewerb eine versöhnliche Pointe parat. Kaum hatte er die zweite Hälfte in Angriff genommen, klarte der Himmel auf. Der Traunsteiner konnte anfangen, einen Teil des Rückstandes wettzumachen. Vom 42. Rang nach zwei Kilometern schob er sich nach vorne – bis auf Platz drei. Wegen des Wetters wollte auch der Fünftplatzierte Axel Teichmann (Lobenstein) „keinem einen Vorwurf machen, maximal Frau Holle“.

Für Berger war indes Angerer „der moralische Sieger“. In einer virtuellen Disziplin „15 Kilometer Freistil mit Start im Schneegestöber“ wäre er nicht zu schlagen gewesen, sagte der Sieger anerkennend. Und auch Angerer sagte später, er sei „superglücklich“, dass es noch zu Bronze gereicht hatte.

Den Kraftakt hatte sich Angerer durch gute Leistungen im Vorfeld eingehandelt. Weil sich die Startnummern nach den gesammelten FIS- Punkten richten, laufen die Schnellsten immer am Ende. Angerer, gestern Nummer 121, wurde das schon häufiger zum Verhängnis. Zuletzt bremste im Januar in Oberstdorf und Otepää Neuschnee die späten Läufer. Berger, der als seltener Gast unter den Langläufern eine niedrige Ranglistenplatzierung hat, erwischte gestern die 55. Position, noch besser traf es Leanid Karnejenka mit der Zwei. Dass es für den unbekannten weißrussischen Junior, der ohne Schneefall unterwegs war, zur Silbermedaille reichte, überraschte ihn selbst am meisten. Nach dem Rennen musste ein Suchtrupp losgeschickt werden, um Karnejenka zur Blumenzeremonie zu lotsen.Und bei der Pressekonferenz lautete die erste Frage an ihn: „Wer sind Sie?“

Marc Beyer[Sapporo]

Zur Startseite