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Sport: Das große Aufräumen

Nach Herthas 3:6-Debakel gegen München mahnt Manager Hoeneß: „Dem Team muss geholfen werden“

Von André Görke und

Michael Rosentritt

Berlin. Am Morgen danach saß Huub Stevens in der Küche und redete. Auf dem Tisch lagen Brötchen, Bananen, Äpfel und Kuchen aus dem „Wiener Café“ am Steubenplatz. Stevens war am Sonntagmorgen um 10.40 Uhr im Internat von Hertha BSC eingetroffen, das Gebäude liegt gleich neben der Mannschaftskabine. Eine halbe Stunde waren sie an diesem Morgen gejoggt, „ganz in Ruhe“, wie Herthas Mannschaftskapitän Michael Preetz später sagte, „das war kein Straftraining“. Beim Frühstück in der Küche des Internats redete Stevens zwanzig Minuten mit den Spielern. Deutlich, aber ruhig. „Jungs, ihr müsst nach vorne schauen“, hat er gesagt. Die Spieler saßen vor ihm, nickten und schauten auf den Kuchen.

Herthas Aufräumarbeiten hatten am späten Samstagabend begonnen. Eigentlich sollten die Spieler am Sonntag ihre Beine schonen, doch nach der schlimmen 3:6-Niederlage gegen den FC Bayern München schnappte sich Trainer Stevens seinen Assistenten Holger Gehrke und vereinbarte, dass sich die Mannschaft nach dieser Lehrstunde sehen muss. Und miteinander sprechen. Nach dem Frühstück trat Stevens in die Sonne. „Ich habe gesagt, dass ich heute nicht reden will“, sagte er nur, und als ihn ein Kameramann des RBB dabei filmte, riss er wütend seine Augen auf – so sehr, dass man seine Aussage schnell verstanden hatte. „Wir haben alle rote Augen“, sagte Pal Dardai später. „Oder denken Sie etwa, wir haben nach diesem Spiel normal geschlafen?“

Stevens ist gereizt, keine Frage. Wie vor einer Woche bei der 2:4-Niederlage bei Werder Bremen war Hertha in Führung gegangen und dann, sagt Manager Dieter Hoeneß, „brachen einfach alle Dämme. So war das auch gegen die Bayern.“ In Bremen kassierte Hertha innerhalb von 14 Minuten drei Tore, gegen die Bayern reichten dafür vier Minuten. Von Schimpfen aber scheint der Trainer nicht viel zu halten. „Die Jungs wissen, was sie falsch gemacht haben.“ Das sagt er nach Niederlagen immer. Als Hertha vor fünf Wochen vier Gegentore in Leverkusen kassierte, strich Stevens den freien Tag mit der Begründung, dass „die Jungs nach so einem Spiel nicht allein sein sollen“.

Nun, nach dem Spiel gegen die Bayern, ist ein ähnliche Situation eingetreten. Hertha hat weniger ein sportliches Problem, viel mehr ein mentales. Am Samstagabend, etwa eine Stunde nach dem Abpfiff, sagte Manager Hoeneß: „Der Mannschaft muss geholfen werden.“

Zwei Spieltage sind es noch, dann ist die Saison beendet. Hertha fährt nächsten Samstag nach Wolfsburg, eine Woche später kommt Kaiserslautern nach Berlin. Es geht jetzt darum, mindestens den fünften Platz zu sichern, der zur Teilnahme am Uefa-Cup berechtigt. An die Champions League denkt niemand mehr. „Dieser Traum ist vorbei“, sagt Pal Dardai. „Wir haben uns in den letzten zwei Wochen die Arbeit eines Jahres kaputtgemacht. Wir müssen das jetzt abhaken und nach vorne schauen.“ Als Dardai diesen Satz gesagt hatte, lag der Monolog von Stevens am Frühstückstisch zehn Minuten zurück. Für eine Fehleranalyse bleibt keine Zeit – denn zu viele Diskussionen könnten die Spieler blockieren. Und eine Blockade haben Herthas Spieler eh schon im Kopf.

Der Manager hat das erkannt. „Es scheint, als sei die Mannschaft dem Druck nicht gewachsen.“ Dieser Satz ist beachtlich, denn Hoeneß hatte sich in der Vergangenheit vehement gewehrt, wenn Kritiker der Mannschaft vorwarfen, dass sie in entscheidenen Phasen die Nerven verliere. Jetzt ist die Situation erneut eingetreten. Und Hoeneß sagt: „Die Niederlage sitzt sehr tief in den Köpfen, wir müssen sie da raus bekommen. Das wird zwei, drei Tage schwer sein und wehtun.“ In dieser Phase gehe es vor allem darum, Selbstvertrauen zu verbreiten.

Zum wiederholten Male geriet Abwehrspieler Marko Rehmer in die Kritik. Wie schon in Leverkusen stand er auch gegen die Bayern „neben den Schuhen“, wie Hoeneß sich ausdrückte. Stevens hatte den Abwehrspieler nach gerade mal 39 Minuten vom Platz genommen. „Ich mache mir so meine Gedanken über Marko“, sagt Hoeneß. „Wir werden mit ihm reden müssen.“ Rehmer habe sich bei Hertha und in der Nationalmannschaft durch herausragende Leistungen jeweils einen Stammplatz erarbeitet. „ Jeder kann mal einen schlechten Tag haben, aber jetzt ist er erkennbar verunsichert“, sagt Hoeneß. Der Manager kramt nach Ursachen für den Leistungsabfall Rehmers. Bisher war es so, dass Rehmer, so er nach Verletzungen fit war, sofort wieder gespielt hat. „Zuletzt war es nicht so. Marko war fit, aber die Mannschaft spielte ohne ihn erfolgreich.“ Rehmer fand sich auf der Ersatzbank wieder. „ Vielleicht hat er das nicht verkraftet“, sagt Hoeneß.

„Ich sage nichts“, meinte Rehmer am Morgen danach in Berlin und verschwand. Auf ihn wartete das Frühstücksbüffet mit dem Trainer. Manager Dieter Hoeneß saß zu diesem Zeitpunkt beim DSF–Stammtisch auf dem Flughafen München.

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