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Sport: Das große Geheimnis

Wie erkennt man schnelle Skier? Die Frage ist banal, die Antwort schwierig

Von Frank Bachner

KarlHeinz Waibel starrt vor seinem Computer auf Zahlen und Kurven. Sie sind Teil eines großen Geheimnisses. Waibel weiß, dass er dieses Geheimnis insgesamt nicht lösen kann. Aber er löst wenigstens einen Teil davon. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagt er in seinem Büro in München. Das große Geheimnis ist die Frage, weshalb bestimmte Skier im alpinen Weltcup schneller laufen als andere, obwohl sie absolut identisch sind. Gleiche Marke. Gleicher Herstellungszeitpunkt. Gleiche Daten. Trotzdem fährt ein Star wie der Norweger Lasse Kjus auf der gleichen Teststrecke mit den einen Skiern schneller als mit den anderen, obwohl beide aus der gleichen Serie stammen. „Kein Wissenschaftler auf der Welt weiß, warum das so ist“, sagt Waibel. Aber dem Wissenschafts-Trainer des Deutschen Skiverbands (DSV) genügt, dass er wahrscheinlich zusammen mit einer Gruppe von Physikern bald Antworten auf eine andere Frage hat: Wie erkenne ich mit einem einfachen Test, dass ein Ski schneller ist als ein anderer. „Wir arbeiten an einer simplen Methode“, sagt Waibel. Und natürlich wird sie als Geheimnis gehütet. „Aber ich denke, wir brauchen noch ein Jahr, bis wir alle verlässlichen Daten haben“, sagt Waibel.

Sollte die Methode greifen, spart sich der DSV viel Zeit. Dann müssen die Serviceleute nicht wochenlang 20 Paar Skier testen, um die richtigen herauszufiltern. So läuft das nämlich bisher. Testen, aussortieren, wieder testen, wieder aussortieren. Bis die besten Rennskier übrig bleiben. „Das geht nach dem Prinzip Versuch und Irrtum“, sagt Waibel. Alle Nationen arbeiten so. Deshalb gibt es bei den Skifirmen auch keine Blaupausen für optimale Slalom-, Riesenslalom- oder Abfahrtsskier bei den verschiedenen Schneebedingungen. Die Firmen liefern, „und dann haben wir nur wenige Möglichkeiten, etwas am Ski zu verändern“, sagt Waibel. Sie können penibel wachsen und die Kanten schleifen. Mehr nicht. „Deshalb sind die erfahrenen Serviceleute auch unbezahlbar“, sagt Waibel. Gerade Abfahrtsskier sind erst dann richtig schnell, wenn sie lange im Einsatz sind.

Im Moment jedenfalls teilt die Materialfrage den alpinen Skizirkus in eine Zweiklassen-Gesellschaft. Es gibt die Topstars und den Rest. Größen wie die Österreicher Hermann Maier, Stephan Eberharter oder die Deutsche Hilde Gerg können bei ihren Ausrüstern anrufen und Änderungen an ihren Skiern verlangen. Die Firmen ändern etwas, sofern das technisch geht. Die Stars sind schließlich Werbeträger. Wünsche von Durchschnittsfahrern dagegen werden abgewimmelt. Deshalb muss die zweite Garde mit dem Material klar kommen, das Topleute wie Eberharter oder Maier für gut befunden haben. Der österreichische Weltklasse-Abfahrer Eberharter etwa benötigt einen Ski, der ein extrem austariertes Verhältnis zwischen Biegefähigkeit und der so genannten Torsionssteifigkeit haben muss.

Auf die Firmen hat Waibel nur wenig Einfluss. Aber dafür könnte er den DSV-Athleten einen zeitlichen Vorsprung verschaffen. Zwölf Paar Skier haben ihm vor kurzem seine Serviceleute in die Hand gedrückt. Es waren schnelle Rennskier, mit denen schon Siege erreicht wurden, und langsamere Skier. Die Serviceleute wussten genau, welche Skier schnell waren. Nun sollte Waibel mit seiner Methode die Spitzenskier herausfinden. In einem Fall hat es geklappt. Die Skier, die Waibel ortete, waren optimal. Mit ihnen hatte Maria Riesch die Weltcup-Abfahrt in Haus gewonnen.

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