zum Hauptinhalt

Sport: Das Jugend-Element

Alan Dsagojew gilt als Russlands Supertalent. Jetzt löst er dieses Versprechen ein.

Fast wäre es gar nichts geworden mit dem beeindruckenden Start ins Turnier. Im März hatte sich Alan Jelisbarowitsch Dsagojew einen Zeh gebrochen, die Verletzung brachte eine ohnehin wenig Aufsehen erregende Saison des russischen Außenangreifers zum Stillstand. Nach einem steilen Aufstieg schien der Fußballer aus dem nordossetischen Beslan zu stagnieren, der junge Wirbler verlor seinen Stammplatz im in die Jahre gekommenen Ensemble der Russen. Erst beim letzten EM-Test rückte der 21-Jährige wieder in die Startformation von Trainer Dick Advocaat, beim 4:1 (2:0)-Auftaktsieg der Russen gegen Tschechien bedankte sich Dsagojew mit zwei Treffern. „Normalerweise brauche ich eine Zeit lang, um nach einer Verletzung wieder in Form zu kommen“, sagte der Profi von ZSKA Moskau. „Aber dieses Mal ist es mir sehr schnell gelungen.“

Als kommender Star des russischen Fußballs wird Dsagojew spätestens seit dem 11. Oktober 2008 gehandelt, als er in der WM-Qualifikation gegen Deutschland mit gerade 18 Jahren einen beeindruckenden Einstand feierte. Beim 1:2 gegen die Mannschaft von Joachim Löw gelang ihm zwar kein Tor, seine Einwechslung belebte aber das russische Spiel, fünf Minuten vor dem Abpfiff flog einer seiner Schüsse am machtlosen deutschen Torwart René Adler vorbei, klatschte aber an den Pfosten. Kein russischer Feldspieler hatte jünger im Nationaltrikot debütiert, schnell waren internationale Spitzenklubs am flinken und trickreichen – aber oft auch eigensinnigen – Offensivspieler interessiert. Das viele Lob schien ihm zu Kopf zu steigen: Nach einem Pokalspiel im Mai 2011 kritisierte Dsagojew seinen Trainer, der ihn in die zweite Mannschaft schickte und sogar an den Lokalrivalen Lokomotive Moskau verkaufen wollte. Erst nach einer Entschuldigung durfte Dsagojew zurück ins Erstligateam von ZSKA, seine Form fand er aber so schnell nicht wieder.

In 48 Pflichtspielen schoss er in der abgelaufenen Saison nur sechs Tore, nach seinem Zehenbruch konnte er zwei Monate lang nicht auflaufen. Gegen Tschechien zeigt er am Freitag in Breslau aber, was ihn für die russische Nationalmannschaft so wertvoll macht. In der 15. Minute bekommt er in der eigenen Hälfte den Ball und nimmt sofort Tempo auf. Zwei Griechen, die sich allerdings ungeschickt gegenseitig umrennen, können seinen kraftvollen Antritt nicht aufhalten, Dsagojew passt auf die rechte Seite zu Konstantin Syrjanow. Dessen Flanke setzt Alexander Kerschakow per Kopf an den Pfosten, den Abpraller verwandelt der weitergesprintete Dsagojew flach, hart und platziert zum 1:0.

In der zweiten Hälfte, Tschechien hat mittlerweile durch Vaclav Pilar auf 1:2 verkürzt, entscheidet die russische Nummer 17 dann das Spiel. Einen Pass des kurz zuvor eingewechselten Stürmers Roman Pawljutschenko nimmt Dsagojew an der Strafraumgrenze nur kurz an, würdigt Tschechiens Weltklasse-Torhüter Petr Cech keines Blickes und trifft erneut mit dem rechten Fuß zum 3:1. Weniger platziert als bei seinem ersten Treffer, aber kompromisslos hart und unhaltbar für Cech. „Ich habe schon immer gesagt, dass er viel Talent hat“, sagt Russlands Trainer Dick Advocaat nach dem Schlusspfiff lapidar.

In Advocaats Mannschaft wird Dsagojew während der EM wohl das jugendliche Element bleiben, am Freitagabend waren alle seine Mitspieler mindestens sieben Jahre älter als er. Am 17. Juni, einen Tag nach dem dritten Gruppenspiel der Russen, holt Dsagojew immerhin ein wenig auf, dann wird er 22 Jahre alt. „Ich möchte behaupten, dass dies der erste Schritt war“, sagte er, nachdem er am Freitag die Auszeichnung als Spieler des Tages entgegengenommen hatte. „Der erste Schritt von fünf oder sechs, wenn das Finale das Ziel ist.“ Lars Spannagel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false