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Sport: Das Kindchenschema

Der Fortschritt fordert viele Opfer, und was er bei dieser Weltmeisterschaft beseitigt hat, ist den Glauben an die Fußball-Weisheit. Statt Weisheiten gibt es schließlich die empirische Wissenschaft, die jetzt mit ihren Statistiken und Analysen aufdeckt, dass sich einige Weisheiten einfach nicht mehr halten konnten.

Der Fortschritt fordert viele Opfer, und was er bei dieser Weltmeisterschaft beseitigt hat, ist den Glauben an die Fußball-Weisheit. Statt Weisheiten gibt es schließlich die empirische Wissenschaft, die jetzt mit ihren Statistiken und Analysen aufdeckt, dass sich einige Weisheiten einfach nicht mehr halten konnten. Den letzten Versuch hatte wohl Rudi Völler vor einigen Jahren unternommen, als er sagte, es gebe keine Kleinen mehr im Fußball. Nach der Vorrunde muss man sagen: Blödsinn!

Alle Asiaten sind ausgeschieden, nur eine Mannschaft aus Afrika hat das Achtelfinale erreicht. Die lieben Kleinen haben schön mitgespielt, aber wenn es spät wird bei diesem Turnier, müssen sie nach Hause. Eine kleine Mannschaft kann gegen eine große vielleicht noch unentschieden spielen, aber gewinnen kann sie eigentlich nicht.

Dass es keine Kleinen mehr gibt, könnte immerhin die schönste Ausrede fürs Verlieren sein, die je erfunden worden ist. Völler hätte damals auch sagen können: So wie wir spielen, gehören wir nicht mehr zu den Großen. Aber das hat er sich wohl einfach nicht getraut.

Es hat auch etwas Beruhigendes, dass sich an den Kräfteverhältnissen nichts geändert hat. Weil der Fußball nämlich für den Zuschauer auch vom ewigen Kampf des sympathischen Kleinen gegen den schnöseligen Großen lebt, von den Geschichten über Exoten, die bis gestern nur barfuß gespielt haben und dann auf einmal den Weltmeister besiegen. Dieses Turnier hat jedenfalls gezeigt: Im Fußball funktioniert das Kindchenschema noch.

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