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Sport: Das kommt uns spanisch vor

Im Mai, kurz vor dem Ende einer langen und zehrenden Post-WM-Saison, hat Joachim Löw noch einmal das Pflicht- und Ehrgefühl seiner Spieler reaktiviert. In einer Rede an die Nationalmannschaft hielt der Bundestrainer die deutschen Fußballer dazu an, auch die letzten beiden Spiele vor der Sommerpause mit der nötigen Sorgfalt anzugehen, weil es auf keinen Fall passieren dürfe, „dass wir im Oktober zu einem entscheidenden Spiel in die Türkei reisen“.

Im Mai, kurz vor dem Ende einer langen und zehrenden Post-WM-Saison, hat Joachim Löw noch einmal das Pflicht- und Ehrgefühl seiner Spieler reaktiviert. In einer Rede an die Nationalmannschaft hielt der Bundestrainer die deutschen Fußballer dazu an, auch die letzten beiden Spiele vor der Sommerpause mit der nötigen Sorgfalt anzugehen, weil es auf keinen Fall passieren dürfe, „dass wir im Oktober zu einem entscheidenden Spiel in die Türkei reisen“. Auch wenn man nie wissen kann, wie sich die Begegnung in Istanbul unter anderen Voraussetzungen entwickelt hätte – nach den Eindrücken vom Freitagabend muss man feststellen: Die Angst des Bundestrainers vor einem echten Finale um die EM-Teilnahme hat sich als unbegründet erwiesen.

Die deutsche Nationalmannschaft hat in Istanbul keineswegs überragend gespielt. Anfangs konnten die Türken die Begegnung durchaus ausgeglichen gestalten, und sie hatten sogar ein paar gute Möglichkeiten, weil die deutsche Verteidigung bisweilen etwas verwirrt wirkte und es der Mannschaft ein wenig am Willen zur Defensive mangelte. Aber schon in dieser frühen Phase konnte man merken, wie viel Anstrengung es die Türken kostete, mit den Deutschen mitzuhalten. Doch selbst wenn die Gegner alles mobilisieren, gerät Löws Mannschaft nur selten ernsthaft in Gefahr. Sie büßt nichts von ihrer Selbstsicherheit ein, zieht einfach ihr Ding durch und weiß, dass sie im Zweifel besser ist. Das kann einem durchaus spanisch vorkommen.

Der Auftritt in Istanbul war umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die Türken zu Beginn der Qualifikationsrunde noch als gleichwertiger Gegner um den Gruppensieg galten und der Ausgang des Duells als eher ungewiss eingeschätzt wurde. Beim letzten Aufeinandertreffen beider Teams, im Halbfinale der EM 2008, hatten sich die Deutschen in einem engen Spiel nur mit viel Dusel behaupten können; den besseren Eindruck hinterließen damals die Türken. Dass sich beide Mannschaften seitdem deutlich voneinander entfernt haben, liegt zwar auch daran, dass das türkische Nationalteam gerade einen Umbruch erlebt. Mehr noch aber ist dafür die Entwicklung der deutschen Mannschaft verantwortlich.

Joachim Löw hat in Istanbul in seinem 72. Länderspiel als Bundestrainer seinen 50. Sieg gefeiert. Zwei Drittel aller Spiele hat er gewonnen, das ist genauso eine überragende Quote wie die Bilanz in der EM-Qualifikation mit neun Siegen aus neun Spielen. Trotzdem hat Löw zu Recht darauf verwiesen, dass diese souveräne Qualifikation nicht automatisch den EM-Titel 2012 zur Folge habe. Genau dieser Titel aber fehlt Löw in der öffentlichen Wahrnehmung noch, um als wirklich großer Bundestrainer akzeptiert zu werden. Dass bei Turnieren immer auch das Glück eine Rolle spielt, wird gerne vergessen. Die Konstanz, mit der die Nationalmannschaft inzwischen spielt, die Souveränität und die Freude, mit der sie inzwischen den Alltag meistert, das ist eigentlich die sportlich viel wertvollere Leistung. Natürlich hat Joachim Löw als Bundestrainer noch keinen Titel gewonnen. Dafür ist seine Mannschaft aber auch noch nie im Viertelfinale ausgeschieden.

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