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Das Kügelchen von Hamburg: Die Papierform entscheidet

Nach dem Papierkügelchen-Eklat beim HSV: Lars Spannagel sieht einen Siegeszug des Zettels im deutschen Fußball.

Die Geschichte des deutschen Fußballs war bislang von Schuhen geprägt. Adi Dassler erfand bekanntlich den Schraubstollen, der den Helden von Bern 1954 im Regen von Wankdorf die nötige Standfestigkeit verlieh. Lothar Matthäus ließ 1990 im WM-Finale Andreas Brehme beim Elfmeter den Vortritt, weil ihm zuvor ein Stollen abgebrochen war. Spätestens seit Donnerstagabend ist aber klar: Fußballspiele werden heute nicht mehr von Schuhen oder gar Bällen entschieden – sondern von Zetteln.

Als erster erkannte Bundesliga-Vordenker Ewald Lienen diese Entwicklung, für seine akribischen Kritzeleien musste er viel Spott ertragen – den Spitznamen „Zettel-Ewald“ trug er aber mit Würde. Zum Durchbruch verhalf dem Papier dann Jens Lehmann, dessen Elfmeter-Spickzettel die Argentinier im WM-Halbfinale 2006 völlig aus dem Konzept brachte. Ein Energiekonzern zahlte später eine Million Euro für den Wisch, heute ist er im Bonner Haus der Geschichte zu bestaunen, neben Raritäten wie Adenauers Mercedes oder den gefälschten Hitler-Tagebüchern.

Ganz so weit hat es die Papierkugel, die den HSV-Verteidiger Michael Gravgaard gegen Bremen zur vorentscheidenden Ecke zwang, noch nicht gebracht. Immerhin im Werder-Museum soll sie ausgestellt werden. Die Papierkugel twittert, das ZDF hat sie interviewt („Ich brauche diesen ganzen Rummel nicht“). Wahrscheinlich steigt die Reliquie bald so stark im Wert, dass sie Werder dereinst mehr Geld einbringt als der Verkauf von Diego an Juventus Turin.

Und da sage noch einer, Papier habe im digitalen Zeitalter keine Zukunft.

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