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Das letzte Rennen: Trauer in Kerpen

In Kerpen, der Heimatstadt von Michael Schumacher, macht sich bereits während des letzten Rennens Wehmut breit. Die Fans leiden mit ihrem Idol, verstehen aber auch den Rücktritt. Ohne ihren Star wird die Formel 1 nicht mehr dasselbe sein.

Kerpen - Es ist sein letztes Rennen, und deshalb ist der Andrang besonders groß. Als Michael Schumacher beim Start das Gaspedal durchdrückt und gleich zwei Konkurrenten überholt, lassen die tausend Fans in der restlos gefüllten Jahn-Halle in Kerpen ihren Emotionen freien Lauf. Sie jubeln, tröten, schwenken die roten Ferrari-Fahnen. Und wischen schnell die eine oder andere Träne von der Wange. Denn es ist die Abschiedsvorstellung des bekanntesten Sohnes der Stadt.

Gisela Hecker ist ein treuer Fan von Anfang an. Ihr Sohn sei früher mit Schumacher zusammen Kart gefahren, berichtet sie. Sie habe die Rennen über die Jahre hinweg verfolgt, oft auch direkt an der Rennstrecke. Und nun der Abschied vom Rennzirkus. "Wir sind sehr traurig, weil er aufhört", kämpft sie mit ihrer Stimme gegen den Lärm an. Ohne ihr Idol kann sie sich den Motorsport gar nicht vorstellen. Sie ist sich sicher: "Nächstes Jahr wird die Formel 1 nicht mehr das sein, was sie war."

Michael Schumacher begeht seinen letzten Arbeitstag als Formel-1-Pilot knapp 10.000 Kilometer entfernt, in Sao Paulo, beim "Großen Preis von Brasilien". Aber doch ist "Schumi" ganz nah, denn seine Wurzeln liegen hier im Rheinland. In Kerpen hat er als kleines Kind seine Liebe zum Motorsport entdeckt. Auf der Kartbahn im Ortsteil Manheim, die sein Vater gepachtet hatte, drehte er die ersten Runden auf vier Rädern. Bald feierte er im Motorsport national und international Erfolge.

Seit 1994 jedes WM-Finale verfolgt

Schon lange wohnt er nicht mehr hier, seit 1996 hat er seinen Wohnsitz in der Schweiz, aber die Kerpener sind seine Fans geblieben. Jedes WM-Finale haben sie vor allem seit dem ersten Sieg 1994 gemeinsam verfolgt, erst auf Fernsehapparaten, dann auf der Großbildleinwand. Alle sieben Titel haben sie hier gefeiert und gemeinsam bei den teils dramatischen Niederlagen gelitten, wenn es in letzter Sekunde doch nicht zum Sieg gereicht hat. Jetzt sind sie wieder hier, zusammen mit Fans aus ganz Deutschland. Sie feiern in der 65.000-Einwohner-Stadt das Ende einer großen Sportler-Karriere. Nach 15 Jahren im Geschäft sitzt der erfolgreichste Formel-1-Pilot aller Zeiten das letzte Mal im Cockpit. Eine Ära geht zu Ende. Die Kerpener bedanken sich mit einer eigens gedichteten Schnulze: "Schumi, du bist der King!"

Es ist fast schon ein Personenkult, der sich um den Kerpener entwickelt hat. In der Halle dominiert die Farbe rot, viele Fans tragen Schumacher-T-Shirts, ein paar haben ihre Köpfe komplett bemalt. Ein älterer Herr, Schnauzer und lockiges Haar, posiert mit einem Zylinder auf dem Kopf für die Fernsehkameras. Auf diesem sind natürlich kunstvoll Schumacher-Figuren angebracht. Sobald das Antlitz des 37-Jährigen Rennfahrers auf der Leinwand erscheint, jubeln die Anhänger.

Zittern mit großer Wehmut

Die Stimmung unter ihnen ändert sich wie bei einer Berg- und Talfahrt. Erst ist sie ausgelassen, die Fans klatschen rhythmisch in die Hände. Dann halten alle die Luft an und zittern mit ihren Idol. In jedem Fall hat sich auch eine gehörige Portion Wehmut unter die Gefühle gemischt. "Für uns als Fans ist es so schade, dass es Schumis letztes Rennen ist", zeigt sich Wilfried Podlich bedrückt. Aber er verstehe Schumachers Entscheidung, seine Karriere zu beenden. Es könne so viele gefährliche Dinge passieren in seinem Sport, sagt der 45-Jährige nachdenklich. "Er hat doch alles erreicht."

Jetzt hoffen die Fans, dass sich "Schumi" bald mal wieder in seiner Heimatstadt blicken lässt. Vielleicht wird die Verleihung der Ehrenbürgerwürde ein Anlass, sich bei den langjährigen Fans zu bedanken. Dass der 37-Jährige die verdient hat, daran zweifelt in seinem Heimatort niemand. (Von Sebastian Erb, ddp)

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