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Sport: Das neue Freudenhaus

Mainz 05 feiert den Aufstieg und will in der Bundesliga St. Pauli nacheifern: mit Spaß und guter Laune

Die Haare wirbelten wild auf dem Kopf von Jürgen Klopp umher, von links rissen sie am Mainzer Trainer, von rechts bestürmten sie ihn. Er selbst heulte hemmungslos und schrie seine Freude in den Himmel. Die Zuschauer waren längst von den Tribünen auf das Spielfeld gestürmt, Bierfontänen mischten sich mit Champagner-Duschen. Das Glück war zurückgekehrt zu Mainz 05. Ausgerechnet die als Unaufsteigbare verlachten Mainzer schafften am letzten Spieltag der Zweiten Liga nach einem 3:0 (1:0)-Erfolg über Trier den so lange ersehnten und bereits dreimal verpassten Sprung in die Bundesliga. Am Abend war Mainz ein einziges Fest.

Der Held aber war traurig. Ausgerechnet der zweifache Torschütze der Partie, Michael Thurk, saß nach dem Spiel seines Lebens wie ein Häuflein Elend in der Kabine. „Ich kann mich nicht richtig freuen, das muss man verstehen“, murrte Thurk. Klar muss man das verstehen, denn der Mainzer Stürmer unterschrieb nach Differenzen mit seinem Verein und wohl auch aufgrund von Störungen im einst guten Verhältnis zu Trainer Jürgen Klopp ausgerechnet beim Aufstiegsrivalen Cottbus für die kommende Saison. Die Lausitzer hat Thurk nun mit seinen Treffern wegen der besseren Tordifferenz auf Platz vier verwiesen. „Es ist nun mal meine Aufgabe gewesen, hier in Mainz bis zur letzten Minute alles zu geben. Viele haben mir nicht geglaubt, mit den beiden Toren habe ich es allen bewiesen“, sagte Thurk mit ernster Miene.

Thurk hat sich somit selbst der Chance beraubt, erstmals in Liga eins zu kicken. Zudem landen künftig einige tausend Euro weniger im Monat auf seinem Konto als im Falle des Cottbusser Aufstiegs. „Das ist doch klar, dass ich in der Zweiten Liga weniger verdiene als in der Bundesliga. Ich freue mich dennoch auf Cottbus. Ich steige dann nächstes Jahr noch mal auf."

Derweil tanzten Trainer Klopp und Präsident Harald Strutz mit den Fans. Vergessen waren die tragischen Momente der letzten Jahre, in denen der Verein immer am letzten Spieltag scheiterte. Immer wieder aber hatte es der junge Trainer Klopp geschafft, seine Mannschaft für die nächste Saison neu zu motivieren. Einmal versagten die Mainzer selbst und vergeigten in drei Spielen einen Vorsprung von sechs Punkten auf den VfL Bochum, im vergangenen Jahr schließlich überholte die Frankfurter Eintracht den Rhein-Main-Rivalen im Fernduell mit zwei Toren in der Nachspielzeit gegen den SSV Reutlingen. In beiden Jahren spielten die 05er mit 64 beziehungsweise 62 Punkten mehr Zähler ein, als ein anderer Tabellenvierter im deutschen Profifußball je erzielte. Mit 54 Punkten weist das Konto diesmal einen geringeren Stand auf, als ein Aufsteiger je besaß, seit es die Drei-Punkte-Regel gibt. Jürgen Klopp glaubte deshalb an ausgleichende Gerechtigkeit: „Ich habe immer gesagt, dass der Fußballgott uns irgendwann belohnt, wenn wir es lange genug versuchen. Jetzt sind wir alle so unglaublich geil auf die Bundesliga.“ Dort wird Mainz 05 in der kommenden Saison nun als 49. Verein seit Gründung im Jahr 1963 spielen. Die Mainzer wollen dabei als Neulinge gar nicht erst als graue Maus der „Beletage“ eingestuft werden.

Stattdessen will der Verein bei seinen ersten Reisen zu den erstklassigen Fußballstadien zwischen Hamburg und München eine Nische besetzen, die die Freudenhaus-Bewohner des FC St. Pauli nach ihrem Abstieg in die Fußball-Niederungen hinterlassen hatten: Spaß und gute Laune.

Daniel Meuren[Mainz]

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