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Sport: Das neue Reglement wird von Reitern heftig kritisiert

Wenige Tage vor Beginn der Europameisterschaften im Heideort Luhmühlen (16. bis 19.

Wenige Tage vor Beginn der Europameisterschaften im Heideort Luhmühlen (16. bis 19. September) melden sich die sonst eher schweigsamen und verschwiegenen Militaryriter laut zu Wort. Sie haben gleich mehrere bittere Gründe: Von Juni bis August starben in Großbritannien, dem Mutterland der Sparte, auf der Querfeldeinstrecke vier Reiter.

In Svernake Forest wurde die 33 Jahre alte Pharma-Referentin Peta Beckett nach einem Sturz von ihrem Pferd erdrückt. Im Juli starb in Wildon Park ebenfalls nach einem Sturz der australische Reiter Robert Slade (30) an den Folgen schwerer Kopfverletzungen, und vor drei Wochen verunglückte die Weltmeisterschafts-Siebte Polly Phillips (30) in Thirlestane Castle tödlich. Bei den Burghley Horse Trials starb am vergangenen Sonnabend der 38-jährige Simon Long, als sich sein Pferd nach dem Überspringen einer Hecke überschlug und den Reiter unter sich begrub.

Der Tod von vier erfahrenen Reitern alarmierte vor allem den Berufsverband der Zunft, die Professional Event Riders Association (PERA). Sie wirft der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) große Mängel im neuen Bewertungsmodus vor, der Anfang des Jahres in Kraft trat. Danach wird die Dressur höher bewertet als früher, die Strafpunkte im Gelände sind anders gestaffelt. Eine Verweigerung und ein Sturz werden im Gegensatz zu früher doppelt so hoch geahndet. Das Schlimmste aber sei, so der zweimalige Olympiasieger Mark Todd (40) aus Neuseeland, dass jede Sekunde Überschreitung der für den Cross vorgegeben Zeit mit einem vollen Punkt bestraft wird: "Stimmt die Dressur nicht, wird man förmlich verleitet, im Gelände voll aufzudrehen, um am Ende noch im Geld zu sein", schimpft der erfahrene Reiter. "Der Preis, den das neue System bisher forderte, ist zu hoch. Vier Tote in drei Monaten - das darf doch nicht wahr sein."

Sein Landsmann Blyth Tait, Olympiasieger von Atlanta und Weltmeister von Rom, kommentiert die neue Regelung so: "Die Gewichtung der Geschwindigkeit im Gelände ist unverhältnismäßig zu hoch angesiedelt worden." Auch der Australier Andrew Hoy (40), Lebensgefährte von Europameisterin Bettina Overesch (Rheine), spart nicht mit Kritik: "Jeder Reiter, der von diesem Job leben muss, wird unweigerlich zu schnellem und damit gefährlichem Reiten im Cross verleitet."

Bundestrainer Martin Plewa (49), seit 14 Jahren im Amt und stets vorsichtig in seinen Äußerungen, bemängelt: "Die FEI hat bei der Wertungs-Änderung die psychologische Auswirkung auf die Reiter nicht bedacht."

Auf die Vorwürfe will die FEI erst nach der abgelaufenen Saison reagieren und dann möglicherweise über einen Sicherheits-Ausschuss diskutieren. Bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney soll jedoch nach dem neuen Modus geritten werden.

Paul Treestump

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