zum Hauptinhalt

Sport: Das Prinzip Außenseiter

Unter Trainer Zach träumt das deutsche Eishockey-Team schon vom WM-Viertelfinale – nur sagt das keiner

Von Sven Goldmann

und Claus Vetter

Helsinki. Der Jubilar war in Höchstform. Das ist nach Niederlagen selten so bei Hans Zach, denn dem Eishockey-Bundestrainer fällt nichts so schwer wie das Verlieren. Diesmal aber war alles anders, nach diesem ehrenwerten 1:3 seiner Nationalmannschaft gegen den Weltmeister Slowakei. Zach war also gut gelaunt und rekrutierte erst einmal Gefolgschaft unter den sonst nicht sonderlich geschätzten Journalisten. „Pressekonferenz“, trällerte der Tölzer und schritt vorbei an seinen Spielern, die da gerade ihre Leistung ins rechte Kameralicht zu setzen versuchten. Zach bestieg sein Podest. So ein Pech auch, sein slowakischer Kollege Frantisek Hossa war noch nicht da. Zach pfiff schnell ein Liedchen, bevor es ernst wurde und er seine Lesebrille aufsetzte. „Wir haben uns hier sehr gut aus der Affäre gezogen“, sprach er. „Aber das tun wir ja meistens.“ In der Übersetzung sollte das ungefähr heißen: Seht her, seit 100 Spielen bin ich jetzt Bundestrainer, und seitdem läuft es.

Ja, es läuft ganz gut für die Deutschen bei dieser Weltmeisterschaft in Helsinki. Nach dem schludrigen Spiel gegen Japan (5:4) und dem Sieg gegen die Ukraine (3:1) war die Mannschaft von Zach schon vor dem abschließenden Vorrundenspiel gegen die Slowakei für die Zwischenrunde qualifiziert. Die kommenden Gegner heißen Österreich, Finnland und Tschechien. Da die Deutschen die beiden Punkte aus dem Spiel gegen die Ukraine mitnehmen, fehlen wohl nur noch zwei Punkte zum Erreichen des Viertelfinales. Die soll es am besten gleich am Sonnabend beim ersten Zwischenrundenspiel gegen Österreich geben. Dem Duktus ihres Trainers entsprechend, reklamieren die Deutschen schon mal die Außenseiterrolle für sich. „Dann haben die mehr Druck als wir“, sagt Stürmer Andreas Morczinietz, und Kapitän Jan Benda weist vorsichtshalber darauf hin, „dass wir uns mit Österreich immer sehr schwer getan haben“. Nun ja, ein deutscher Erfolg erscheint nicht unmöglich, und damit wäre ein Ziel erreicht, das es vorher nach offizieller Lesart gar nicht gab: das Viertelfinale. Franz Reindl, der Sportdirektor des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), schwärmte nach dem Spiel gegen die Slowaken noch davon, dass der Klassenerhalt nun endlich erreicht sei. So ein Glück aber auch.

Nur nimmt den Deutschen ihr chronisches Understatement keiner mehr ab. „Die deutsche Mannschaft hätte das Spiel gegen die Slowakei auch gewinnen können“, sagte etwa der ehemalige Bundestrainer George Kingston. „Es ist erstaunlich, was die für einen Fortschritt gemacht haben. Inzwischen gibt es eine viel größere Auswahl an guten Spielern als noch zu meiner Zeit.“ Es geht in Finnland auch ohne die deutschen Spieler aus der nordamerikanischen Profiliga NHL, ohne Jochen Hecht, Marco Sturm oder Dennis Seidenberg. „Die Deutschen könnten doch noch viel offensiver spielen, so gut sind die inzwischen“, befand der Slowake Peter Bondra, der sein Geld bei den Washington Capitals in der NHL verdient. Zach winkte ab: „Bondra ist ein guter Spieler – aber ist er deswegen schon ein guter Trainer?“ Nein, der gute Trainer heißt Hans Zach, gerade erst wurde er von einer Schweizer Zeitung zum härtesten Coach aller Zeiten gekürt.

Wo Zach ist, da ist meist auch der Erfolg, auch unter widrigen Bedingungen wie beim Spiel gegen den Weltmeister. „Die Slowaken hatten einen Tag mehr Regeneration als wir, aber trotzdem haben wir dagegengehalten“, sagte Zach. „Aber das spiegelt halt den Charakter wider, den wir in der Mannschaft haben, seit ich Bundestrainer bin.“ Zach hat seinem Team einen Stil vermittelt, der dem Klischee von typisch deutschen Tugenden entspricht: immer kämpfen, nie aufgeben, auch wenn es aus medizinischer Sicht vielleicht angebracht wäre. Andreas Morczinietz etwa zog sich im ersten Drittel gegen die Slowakei einen Muskelfaserriss zu und dachte keine Sekunde an Aufgabe: „Ich habe eine Salbe auf den Oberschenkel bekommen, und die hat mehr geschmerzt als die Verletzung.“ Natürlich wird Morczinietz am Sonnabend gegen die Österreicher spielen.

Zach nickte anerkennend. „Unser Ziel ist schließlich, so weit wie möglich zu kommen“, sagt der Bundestrainer. „Und man sieht der Mannschaft an, dass sie das will."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false