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Sport: Das Prinzip Zweifel

Luizao muss bei Hertha BSC erst noch beweisen, dass er Torjäger und Weltmeister ist

Tschagguns. Als es ans Toreschießen geht, ist Luizao mal wieder nicht dabei. Und in diesem Fall ist das durchaus wörtlich zu verstehen. Während seine Kollegen vom Berliner Bundesligisten Hertha BSC auf dem Fußballplatz in Schruns den Abschluss vor dem Tor üben, dribbelt der Brasilianer auf dem Nebenplatz mit dem Ball durch einen Slalomparcours. Luizao ist angeschlagen. Mal wieder. In Berlin, beim Testspiel gegen Hertha Zehlendorf, hat er sich einen Bluterguss am rechten Knie zugezogen. „Er verliert wieder“, sagt Trainer Huub Stevens. „Dabei hat er so gut angefangen.“

Die Öffentlichkeit nimmt solche Nachrichten inzwischen gelassen zur Kenntnis. Im Fall Luizao regiert schon lange das Prinzip Zweifel. Nur bei Hertha BSC wollen sie die Hoffnung noch nicht aufgeben. Vor der Sommerpause haben sie gehofft, dass Luizao den Urlaub dazu nutzt, sich diesmal fit zu halten. Das hat er getan. In Tschagguns, im Trainingslager, haben sie gehofft, dass er schnell gesund wird und mit der Mannschaft trainieren kann. Das tut er seit gestern Morgen wieder. Und jetzt hoffen sie, dass er, der doch Weltmeister geworden ist mit Brasilien, endlich Tore schießt für Hertha BSC. Luizao sagt, diese Verletzung am Knie komme ihm vor wie eine Mauer, „die ich durchbrechen muss“. Mit Mauern, die ihm im Weg stehen, müsste der Brasilianer inzwischen so viel Erfahrungen haben wie ein gut laufendes Abrissunternehmen.

Luizao kauert in der Lobby des Mannschaftshotels auf einer Couch. Er hat sich in die Ecke gehuscht, links neben ihm hat sein Kollege Nando Rafael sämtlichen verfügbaren Platz eingenommen. Dessen rechter Arm liegt über der Rückenlehne, und es sieht so aus, als habe der große Rafael den kleinen Luizao unter seine Fittiche genommen. Dabei müsste es umgekehrt sein. Eigentlich sitzt der 19-jährige Rafael nur hier, weil er Angolaner ist und Portugiesisch spricht. Er soll übersetzen, was Luizao sagt. In Wirklichkeit aber hat es den Anschein, als müsse der Nachwuchsspieler den Weltmeister beschützen.

Luizao spricht leise, er lacht nicht ein einziges Mal, und man kann sich nur schwer vorstellen, dass die kräftigen Sätze des Übersetzers Rafael wirklich so aus seinem Mund gekommen sind. „Es gibt viele Leute, die in Brasilien Fußball spielen“, sagt Luizao. „Aber es gibt nur wenige, die in der Nationalmannschaft spielen.“ Wenige wie ihn also. Und in der am 2. August beginnenden neuen Saison wolle er endlich beweisen, „warum Hertha mich geholt hat“, dann werde er auch zeigen, „wer ich bin“.

Genau das fragen sich viele: Wer ist Luizao eigentlich? Torjäger? Nun ja. Weltmeister? Die „Bild“-Zeitung hat im vergangenen Herbst die Theorie aufgestellt, es müsse einen Doppelgänger geben, der bei der Weltmeisterschaft in Asien gespielt habe. Brasilianer? Luizao ist ganz anders als Alex Alves oder Marcelinho, die wegen ihres Temperaments als typisch brasilianisch gelten: Er ist verschlossen, zurückhaltend, fast schüchtern, nicht polternd und auch nicht selbstverliebt. Der „Kicker“ hat über ihn geschrieben, er fremdle mit sich selbst. Zumindest fremdelt er mit seiner Situation, auf und neben dem Fußballplatz. Luizao sagt, er müsse „körperlich und geistig die Ruhe haben, damit ich meine Stärke zeigen kann“.

Die Frage ist, ob er diese Ruhe irgendwann findet.

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