zum Hauptinhalt

Sport: „Das sind keine Lügen, das ist kreative Wahrheit“

Achter-Steuermann Peter Thiede über seine Ansagen, die richtige Taktik und die WM in München

Herr Thiede, was macht eigentlich ein Steuermann im Deutschland-Achter?

Wie der Name schon sagt, ich steuere das Boot. Aber ich unterstütze auch das, was die Ruderer tun sollen, mit Worten. Ich sage, wo unsere Hauptkonkurrenten liegen, und gebe die Taktik vor. Wir haben immer zwei zur Auswahl. Die abgesprochene Taktik und eine flexible. Und ich muss zusehen, dass der Motor ökonomisch läuft. Man darf nicht vergessen: Trotz der fast 1000 Kilogramm, die da im Boot sind, ist der Achter ein hochsensibles System.

Nehmen die Athleten ihre Ansagen im Rennen überhaupt wahr?

Es kommt schon an, was ich sage. Aber das funktioniert eher über kurze Sätze. Dabei muss man schon darauf achten, was man sagt. Nicht jeder Ruderer kann im Rennen kann auf die gleiche Weise angesprochen werden.

Lügen Sie die Ruderer auch an?

Das sind keine Lügen. Das ist kreative Wahrheit. Ich kann sagen, dass wir eine Länge zurückliegen. Das würde meine Jungs aber demoralisieren. Also sage ich lieber, wir liegen auf dem zweiten Platz.

Sie gehen als Titelverteidiger in die WM, macht das die Rennen schwieriger?

Es ist immer gleich schwer. Wir haben ja nur einmal im Jahr die Chance, gegen die Besten der Welt zu rudern. Die Amerikaner hatten wir zuletzt bei der WM vor einem Jahr in Eton gesehen.

Und jetzt haben Sie die Amerikaner in München gleich im ersten Lauf geschlagen, viel besser hätte der Start in die Heim-WM nicht laufen können.

Natürlich, das war ein gutes Rennen. Es lief wie geplant. Zumal wir nach Luzern nicht so genau wussten, wo wir stehen. Vor dem Rennen wollten wir direkt weiterkommen. Das haben wir geschafft. Jetzt haben wir bis zum Halbfinale Ruhe.

Es sah nicht so aus, als sei der Deutschlandachter schon an seine Grenzen gegangen?

Das stimmt. Vielleicht waren wir auf den letzten 500 Metern sogar zu lässig. Da kamen die Niederländer noch einmal ganz schön herangerauscht. Wir haben auf jeden Fall noch Reserven.

Wie gestalten Sie ein erfolgreiches Rennen?

Es hilft, die Gegner im Vorfeld zu beschäftigen. Sie sollen sich über unsere Taktik Gedanken machen. Und am besten fährt man vom Start an vorneweg.

So wie vor einem Jahr bei der Weltmeisterschaft in Eton?

Genau, wie in Eton. Vorlegen und halten, das ist die Devise. Ich wusste in Eton schon nach zwei Minuten, dass wir uns das nicht mehr nehmen lassen. Ich habe den Jungs gesagt, dass wir auf Weltrekordkurs liegen und durch sind. Schlagmann Bernd Heidicker hat mir das übel genommen, so früh vom Sieg zu reden. Aber ich habe gesagt: Alles klar, wir fliegen! Keiner im Boot sollte das Gefühl bekommen, noch mehr machen zu müssen.

Sie sind seit 1993 im Deutschland-Achter die einzige Konstante. Wie empfinden Sie es, ständig mit neuen Ruderern zusammenzuarbeiten?

Wechsel sind immer spannend. Ich merke, dass ich mir das Vertrauen der Ruderer immer aufs Neue erarbeiten muss.

Haben Sie eigentlich auch selbst gerudert?

Bis zum Jugendalter war ich Gewichtheber. Und in einigen Disziplinen bin ich wirklich stärker als die Jungs. Aber weniger im Kraftbereich. Es ist auch auf meiner Position wichtig, Sportler zu sein. Ich weiß, was es heißt, Schmerzen zu ertragen. Ich weiß auch, was Siege oder Niederlagen bedeuten.

Für Sie als Steuermann bedeuten Siege, dass Sie ins Wasser geworfen werden. Wissen Sie schon, wie die Wassertemperatur in München sein wird?

Nein, aber ich habe nichts dagegen, das nach dem WM-Finale am 2. September herauszufinden.

Das Gespräch führte Jürgen Bröker.

Peter Thiede, 39, sitzt seit seinem ersten WM-Einsatz 1993 als Steuermann im Deutschland-Achter. Er hat drei Mal Gold, zwei Mal Silber und zwei Mal Bronze gewonnen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false