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Endlich wieder Party im eigenen Haus. Lasogga (l.), Ebert (M.) und Lell feiern das 1:0 gegen Stuttgart mit den Fans. Foto: dapd

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Sport: Das späte Glück

Hertha hat den Glauben an die eigene Stärke gewonnen und einen ordentlichen Bundesligastart hingelegt

Berlin - Mit den Fußballern von Hertha BSC verhält es sich ein wenig wie bei Boxern in den letzten Sekunden einer Runde. Faustkämpfer versuchen oft vor dem Gong noch eine gute Aktion auszuführen, um die Punktrichter zu beeinflussen. Hertha landet auch gerne gegen Ende einer Partie Treffer, und hat sich so fünf Punkte an vier Bundesliga-Spieltagen zusammengeklaubt: Beim 2:2 in Hamburg traf Andre Mijatovic zwei Minuten vor Schluss, beim 1:1 in Hannover jubelte Pierre-Michel Lasogga in der 83. Minute und am Freitag köpfte Raffael vier Minuten vor Ende zum 1:0-Sieg gegen den VfB Stuttgart ein.

Raffaels Treffer war einer mit Wirkung. Er war „ein Tor zum richtigen Zeitpunkt“, wie der Schütze sagte. Seit 17 Spielen in der Bundesliga hatten sich die Berliner Spieler nicht mehr von ihren Fans in der Kurve feiern lassen dürfen. Obwohl das am Freitag nicht einfach war – bei 30 Grad in der Schüssel Olympiastadion war es mit den Kraftreserven der Berliner Profis nicht mehr so weit her –, reichte es für die Feier mit den Anhängern in der Ostkurve noch. „Ich habe den Fans angemerkt, was ihnen da für eine Last abgefallen ist“, sagte Mittelfeldspieler Peter Niemeyer.

Lange hatte es für die Berliner gegen Stuttgart nicht so ausgesehen, als sollte es etwas werden mit dem ersehnten Heimsieg. Stuttgarts Trainer Bruno Labbadia war entsprechend sauer. „Das ist eine wahnsinnig bittere Niederlage für uns“, sagte er. „Wir mussten das Spiel machen. Hertha hat ja nur auf Konter gespielt – im eigenen Stadion.“

Dass sich Hertha vorsichtig abwartend an die Bundesliga herantastet und auch daheim dem Gegner die Spielregie überlässt, ist ein Vorwurf, der die Berliner nicht treffen sollte. Für Hertha gilt es in dieser Saison, die Punkte auf einfache Spielart zu holen, an der Attraktivität können sie kommende Spielzeit arbeiten. Patrick Ebert, Vorlagengeber zu Raffaels Tor, fasst zusammen, was eine Stärke des Aufsteigers ist: „Wir können bis zum Ende des Spieles laufen. Dafür haben wir hart gearbeitet in der Vorbereitung, das zahlt sich nun aus.“ Eberts Mitspieler Christian Lell hat gar eine neue Qualität bei seiner Mannschaft ausgemacht. Gegen Stuttgart sei das Spiel in der ersten Halbzeit nicht gut gewesen, sagt er. „Aber wir haben schließlich nicht nur auf unsere Physis, sondern auch auf unseren Glauben gebaut. Unsere späten Treffer sind kein Zufall.“ Für seinen Nebenmann auf der Sechserposition, Andreas Ottl, ist Geduld die Stärke der Berliner: „Wir wussten, dass unsere Chance kommt.“ Markus Babbel wusste beim Spiel gegen Stuttgart sogar noch mehr: „Mir war klar, dass Raffael das Tor schießt.“ Raffael habe er, der Trainer, schließlich dahingebracht Leistung zu zeigen: Babbel hatte ihn beim Auftaktspiel gegen Nürnberg eine Halbzeit lang zum Bankdrücker degradiert. „Manchmal sind unpopuläre Maßnahmen eben nützlich, um bei einem Spieler etwas zu erreichen“, sagt Babbel.

Hertha hat in vier Bundesligaspielen den Glauben an die eigene Stärke gewonnen. Für Markus Babbel fällt die erste Bilanz allerdings nicht optimal aus, wie er sagt. „Wir müssen einen extremen Aufwand betreiben, um als Sieger vom Platz zu gehen. Nur wenn wir am Limit spielen, können wir bestehen.“ Die Mannschaft habe aber im Rahmen ihrer Möglichkeiten viel erreicht. Da war er wieder, der Bayer Babbel, der sich ja gern mal zu Kurzreferaten über Berliner Großmannssucht hinreißen lässt. So gesehen passt Herthas Fußball nicht zu Babbels Berlinbild, weil in Babbels Berlin gern davon gesprochen wird, etwas Großes zu schaffen und am Ende wird oft nichts geschafft. Die unberlinerische Hertha rackert im Kleinen und hat sich nun eine solide Basis für die Hinrunde geschaffen, nicht mehr, nicht weniger. Zwei Wochen Länderspielpause folgen, dann wird Hertha bei Borussia Dortmund antreten. Mit ruhigem Gewissen kann das Team das tun, findet Ottl. Aber: „Wir fahren nicht nach Dortmund, um uns die 80 000 Zuschauer anzuschauen.“

Herthas Last-Minute-Treffer sind laut Markus Babbel übrigens schön, zu sehr verlassen solle man sich auf sie aber auch nicht, sagt der Trainer. „Ich hätte auch nichts dagegen, wenn wir mal in der ersten oder 20. Minute treffen. In der 88. Minute können wir dann ja nachlegen.“

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