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Sport: Das Spiel geht weiter

Athleten und Funktionäre fürchten den Beginn des Irak-Krieges – aber sie fühlen sich machtlos

Berlin. Angesichts eines kaum noch abzuwendenden IrakKrieges wächst die Unruhe im deutschen Sport. In der Fußball-Bundesliga gibt es erste Forderungen, auf die politische Lage zu reagieren. „Persönlich ist jeder gefordert, ein Zeichen gegen Krieg zu setzen. Auch der Sport sollte das tun“, sagte Hansa Rostocks Aufsichtsratschef Horst Klinkmann dem Tagesspiegel. Schalkes Manager Rudi Assauer denkt ähnlich. „Ein Krieg hat Auswirkungen auf die Bundesliga“, sagte Assauer. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Menschen fröhlich ins Stadion gehen.“ Andere Vereine wollen die Lage abwarten. „Ich hoffe noch auf Frieden“, sagte Leverkusens Manager Reiner Calmund.

Die Europäische Fußball-Union und der Weltverband Fifa lehnten Spielabsagen ab – abgesehen von der Verschiebung der „U20“- WM in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das Innenministerium warnte vor Panikmache. „Es gibt keine konkreten Hinweise auf geplante Anschläge in Stadien“, sagte Sprecherin Gaby Holtrup. Beim für Sonntag geplanten Spiel von Hertha BSC gegen Energie Cottbus gibt es keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen. „Vor dem Spiel findet eine Stadionbegehung der Polizei statt, Personen und Fahrzeuge werden gezielt kontrolliert“, sagte Herthas Geschäftsstellenleiter Matthias Huber. Auch Energie-Präsident Dieter Krein mahnt zur Gelassenheit. Eine Spielverlegung würde nichts bringen. „US-Präsident Bush macht sowieso, was er will.“

Viele Sportler und Funktionäre fühlen sich machtlos. „Der Sport hat leider keinen Einfluss auf die Politik“, meint der Chef des Sportbundes, Manfred von Richthofen. Erst nach einem Krieg könne Sport helfen, Wunden zu heilen. Ähnlich äußerte sich Klaus Steinbach, Chef des Olympischen Komitees: „Wenn Europa und die UNO den Krieg nicht verhindern können, können Sportler leider auch nichts dagegen tun.“ Und Thomas Bach, Vizechef des Internationalen Olympischen Komitees, sagt: „Der Sport hat kein Mandat, die Weltpolitik zu verändern.“

Angesichts dieses Meinungsbildes ist mit Absagen von Sportveranstaltungen kaum zu rechnen. Das Handball-Länderspiel gegen Island am Samstag in Berlin soll stattfinden, dasselbe gilt für die Play-off-Spiele der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). „Bei den Amerikanern, die in der DEL spielen, handelt es sich ja um Sportler und nicht um Soldaten“, sagte DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke. Auch die Eiskunstlauf-WM in Washington soll kommende Woche planmäßig beginnen. „Washington ist wahrscheinlich in den kommenden Wochen der sicherste Ort der Welt“, sagte Leslie Gianelli vom Organisationskomitee. Falls deutsche Sportler aus Protest nicht an den Wettbewerben teilnehmen wollen, müssen sie keine Konsequenzen seitens ihres Verbandes fürchten. „Wir können niemanden zur Teilnahme zwingen“, sagte Eislauf-Chef Reinhard Mirmseker.

Unter deutschen Sportlern regt sich derweil Protest gegen eine militärische Lösung. Mehrere Prominente wie Segler Jochen Schümann, Radfahrer Jan Ullrich und die ehemalige Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Katarina Witt unterschrieben den Friedensappell deutscher Sportler. Etwa 1600 Athleten haben sich bereits angeschlossen. Witt, die derzeit eine Showtournee durch die USA absolviert, begründet ihre Teilnahme so: „Sport heißt: Training, Anstrengung und Zuwachs menschlicher Kräfte. Krieg heißt: Menschliches abschalten, abbauen und zerstören.“

Die Politik unterstützt das Engagement der Sportler. Der ehemalige Chef des Bundestags-Sportausschusses, Friedhelm Julius Beucher, schloss sich inzwischen dem Friedensappell an. Und SPD-Kollegin Dagmar Freitag sagt: „Sportler sind mündige Bürger. Sie sollten ihre Meinung nicht zurückhalten.“

Von unseren Korrespondenten André Görke, Robert Ide, Klaus Rocca und Claus Vetter.

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