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Sport: Das Tabu bleibt

Noch outet sich kein schwuler Fußballprofi – manche Fans sind schon weiter

Von Til Knipper

Berlin - „Was bist du schlecht! Seht Euch an, was dieser Schwule sich hier zusammenpfeift“, rief Trainer Bernd Schuster beim Spiel seines Klubs FC Getafe gegen Villarreal mehrfach in Richtung des Schiedsrichters Julian Rodriguez Santiago. Zumindest vermerkte Santiago dies anschließend im Spielbericht. Das Beispiel aus dieser Woche zeigt, wie aktuell das Tabuthema „Homosexualität im Fußball“ immer noch ist.

Da ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich schwule Profis aus der Ersten und Zweiten Bundesliga weiterhin nicht offen zu ihrer Homosexualität bekennen wollen. „Natürlich fühle ich mich beschissen. Auch meine Frau weiß nichts davon“, sagt ein Zweitligaprofi dem Fußballmagazin „Rund“ in dessen aktueller Ausgabe. „Aber was soll ich machen? Ein Outing wäre mein Tod.“ Ein Kollege aus der Bundesliga nimmt regelmäßig eine eingeweihte Freundin mit zu Mannschaftsabenden, „aber die Notlügen und die Heimlichtuerei sind unglaublich belastend“, berichtet er. Der einzige Fußballer, der sich je geoutet hat, hat dies vor 14 Jahren getan. Justin Fashanu, der bei Norwich und Nottingham Forest spielte, hat nach seinem Outing in England keinen Verein mehr gefunden und musste nach Kanada auswandern. 1998 beging Fashanu Selbstmord.

Kleine Fortschritte im Kampf gegen die Homophobie scheint es immerhin auf den Fantribünen der Bundesliga zu geben. „Wir wurden wie selbstverständlich vom Verein aufgenommen“, sagt Gerd Eiserbeck, Vorsitzender des ersten schwul-lesbischen Fanklubs in Deutschland, den Hertha Junxx. „Hertha unterstützt unsere Auftritte auf dem schwul-lesbischen Straßenfest in Berlin, Spieler kommen zu unserer Weihnachtsfeier.“ Auch im Stadion gebe es mittlerweile keine dummen Sprüche mehr. „Auf unser Banner im Olympiastadion ,Fußball ist alles – auch schwul‘ haben wir bisher nur positive Resonanz bekommen.“

Von Seiten des Berliner Fußball- Verbandes und des DFB haben die Hertha Junxx dagegen bisher keine Unterstützung erhalten. „Wir versuchen aber, weitere Kontakte zu knüpfen“, gibt sich Eiserbeck optimistisch.

Gerd Dembowski vom Bündnis aktiver Fußballfans (Baff), das sich seit 1999 gegen Homophobie im Stadion wendet, sieht ein Umdenken beim DFB. „Theo Zwanziger hat uns sofort nach seiner Wahl zu einem Gespräch eingeladen, bei dem auch dieses Thema zur Sprache kam“, sagt Dembowski. „Es ist beim DFB auf der Agenda.“ Aber zurzeit stehen Anti-Rassismus-Maßnahmen auf der Prioritätenliste ganz vorne. „Der DFB und der Ligaverband müssen erkennen, dass sie mit den Schwulen auch eine weitere Zielgruppe ansprechen können“, sagt Dembowski. Außerdem wünscht sich Baff finanzielle Unterstützung für Fanprojekte vor Ort. „Sonst bekommt man die sinnentleerte Verwendung des Wortes ,schwul’ nicht aus den Köpfen der Fans heraus.“ Weiter beim Thema Homophobie ist schon der europäische Fußballverband. Die Uefa ließ Baff bei einer Konferenz im Februar dieses Jahres einen Workshop zur Schwulenfeindlichkeit von Fans organisieren. Außerdem ist die Uefa dabei, ein Sieben-Punkte-Programm von Baff zum Teil in ihre Statuten zu übernehmen.

Was das Outing eines Spielers betrifft, sind Eiserbeck und Dembowski allerdings skeptisch. „Fußballer stehen so sehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit, den Druck der Medien und der gegnerischen Fans danach hält keiner aus“, sagt Eiserbeck. Baff hat vor kurzem zusammen mit dem schwulen Präsidenten des FC St. Pauli Corny Littmann versucht, eine sogenannte „Dream Elf“ aufzustellen. „Wir wollten ein Elfer-Outing initiieren, um den Druck auf den Einzelnen zu mindern“, sagt Dembowski. Aber es sei sehr schwierig, an die Spieler heranzukommen und sie zu überzeugen. Das Klima dafür ist noch nicht da, sei die Standard-Antwort gewesen. Beim DFB kann man sich vorstellen, mit Strafen gegen die schwulenfeindliche Stimmung vorzugehen: „Vom Inhalt der neuen Statuten her ist das möglich, aber das muss das DFB-Sportgericht im Einzelfall selbst entscheiden“, sagt DFB-Mediendirektor Harald Stenger.

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