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Rempeln durch drei Dimensionen. Hamburgs Ruud van Nistelrooy (l.) und Frankfurts Sebastian Rode laufen jetzt durchs Wohnzimmer – 3 -D-Brille vorausgesetzt. Foto: dpa/Montage: Mika

© dpa

Sport: Das virtuelle Stadion

Die Zukunft des Fernsehens oder ein großer Fake? Was Fußballübertragungen in 3 D wirklich bringen – ein Test

Jörg Dahlmann ist bereits ein Riesenfan. „Ich weiß nicht, liebe Zuschauer“, rief er mit erregter Stimme in sein Mikrofon, „vielleicht liegt es ja auch an diesem 3 D, dass hier alles noch spannender erscheint, als es wirklich ist.“ Nun darf Dahlmanns übertriebene Begeisterung nicht sonderlich verwundern, war er doch der Kommentator des Fußballspiels zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und dem 1. FC Köln, der ersten dreidimensionalen Übertragung in der Bundesliga-Geschichte – und daher von Amts wegen befangen.

Als „nächsten Entwicklungsschritt des Fernseherlebnisses“ bezeichnet die Deutsche Telekom Sportübertragungen in der dritten Dimension. „Ganz nah am Geschehen“ solle der Zuschauer sich fühlen, ja sogar den Eindruck bekommen, „selbst auf dem Platz zu stehen“. Um die neue Technik zu demonstrieren, lud das Unternehmen in ein Berliner Hotel. Bei Häppchen und Popcorn konnten die Gäste herausfinden, ob die dritte Dimension im Fußball-TV eine Bereicherung ist – oder doch nur der von WDR-Sportchef Steffen Simon kürzlich beschriene „große Fake“.

Was bringt Fußball in 3 D? Mehr Überblick? Neue Perspektiven? Das Gefühl gar, im Stadion zu sitzen?

Eins vorweg: Ohne Brille geht gar nichts. Erst wenn man sich das futuristische und nicht ganz leichtgewichtige schwarz-silberne Gestell auf die Nase gesetzt und auf den An-Schalter am Rahmen gedrückt hat, wird aus den zwei überlappenden Bildern auf dem Bildschirm ein einziges. Einige Elemente erscheinen dabei sofort näher als andere. Man setzt von Beginn an auf Effekte. Die Mannschaftsaufstellungen fliegen von vorne ins Bild, Spielstand und Zeitanzeige sind sichtbar hervorgehoben. Für die 3-D-Übertragung vom Betzenberg waren zehn zusätzliche Kameras im Einsatz. Also eigentlich 20, denn sie bestehen jeweils aus zwei Objektiven, die fest miteinander verschraubt sind – wenn man so will, das gleiche Prinzip wie beim menschlichen Auge. Die Brille rechnet die getrennten Bilder dann wieder zusammen.

Nach einigen Spielminuten der erste fragende Blick in die Runde. „Ich bin enttäuscht“, sagt Maximilian Schoob, „ich hatte mir mehr erwartet von der ganzen Sache.“ Schoob betreibt den Blog „Abenteuer Fußball“ und findet: „In der Totalen merkt man von dem 3-D-Effekt ja überhaupt nichts.“

Schoob beschreibt eine der größten Herausforderungen, man könnte auch sagen: eines der Hauptprobleme von Fußballübertragungen in drei Dimensionen: Das Feld ist mit 22 Spielern ziemlich voll, die Übersichtlichkeit geht im Grunde bei allen Einstellungen außer der klassischen totalen Draufsicht flöten. Aber gerade die Nahaufnahmen sind es, bei denen 3 D seine Wirkung entfaltet. Wenn die Distanz zwischen Vordergrund und Hintergrund besonders hoch ist, etwa wenn ein Spieler genau vor der Linse zum Eckball anläuft, ist der räumliche Effekt am deutlichsten sichtbar. Stadion und Spielfeld werden dann im wahrsten Sinne zur gigantischen Kulisse, der Athlet scheint mitten durch den Raum zu traben. In einer der schönsten Einstellungen des Spiels titschte der Ball scheinbar direkt vor dem Betrachter auf und blieb so liegen, dass man ihn schon fast aufnehmen und einem Spieler zuwerfen wollte. Dann trat ein Kölner Spieler in die Szenerie – und führte den Einwurf aus.

„Die Nahaufnahmen sind schon geil“, sagt Schoob. Auch die „Schwenks ins Publikum und Szenen aus der Hintertorperspektive“ finden seinen Gefallen. Der „Spielüberblick“ aber leide doch insgesamt sehr. „Fußball scheint nicht unbedingt eine Sportart zu sein, die 3-D-kompatibel ist“, resümiert der Fußball-Blogger.

In der Tat: Bei Kontern, von hinter dem Tor gefilmt, ist oft nicht erkennbar, wer sich links oder rechts freiläuft. Und tummeln sich bei Standards mehrere Spieler im Strafraum, setzt die Aufnahme von der Seitenlinie vor allem viele verschiedene Rückennummern ins Bild. Den kuriosen Pfostenschuss des Kaiserslauterers Rodnei vor dem 0:1 schließlich sah man überhaupt nicht – weil der Regisseur zu spät von der Zeitlupe wieder zum Livebild schaltete. Da hätte auch eine vierte und fünfte Dimension nichts genutzt.

Mehrwert oder nicht – für die Telekom, die die Bundesliga mit ihrem „Entertain“-Paket per Internetverbindung in die Wohnzimmer bringt, ist das Vorantreiben von 3-D-Übertragungen eine „Verpflichtung gegenüber unseren Kunden“, wie ihr Sprecher mitteilte. Auch der Pay-TV-Sender Sky zeigt in der Rückrunde je ein Bundesligaspiel in 3 D. Dieses wird aber nur in bestimmten Sportbars zu empfangen sein. In Berlin ist das der „Alt-Berliner Biersalon“ am Kurfürstendamm, wo am heutigen Sonntag (15.30 Uhr) die Partie Gladbach gegen Leverkusen in 3 D übertragen wird.

Nach dem Schlusspfiff leichte Konfusion. Ist das doch ziemlich hektische Spiel der beiden Mannschaften oder die ungewohnte Perspektive dafür verantwortlich gewesen? „Man sitzt eben doch immer noch vor dem Fernseher“, sagt Maximilian Schoob, setzt seine Brille ab und reibt sich die Nasenwurzel. „Kennen Sie den Werbespot mit Marcel Reif, als er sagt, ich will die Bratwurst riechen? Das ist es eben. Das Stadion kann man nicht ersetzen.“

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