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Nicht zu halten. Johannes Sellin und die Füchse ließen sich von ihrem spanischen Gegner nicht stoppen und staunten selbst über ihren grandiosen Erfolg. Foto: Bernd Wende

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Sport: Das Wunder von Berlin

Die Füchse holen einen Rückstand von elf Toren auf und stehen nach dem 29:18 gegen Leon im Final Four der Champions League.

Berlin - Unfassbar! Es gibt tatsächlich ein „Wunder von Berlin“. Was höchstens die größten Optimisten geglaubt hatten, ist wahr geworden. Die Füchse Berlin gehören zum erlauchten Kreis der vier besten Handball-Teams in Europa, die am 26. und 27. Mai in Köln das Final Four der Champions League austragen. Diese Tatsache ließ gestern in der Schmeling-Halle alle Dämme brechen. Das 29:18 (13:6) gegen Ademar Leon aus Spanien wurde von den 9000 Fans mit den wie die Kinder hopsenden, schreienden und sich immer wieder umarmenden Spielern ausgiebig gefeiert. Eine Sensation, denn die Füchse hatten einen Elf-Tore-Rückstand wettgemacht. Das Hinspiel hatten die Spanier 34:23 gewonnen, aber dank der mehr geworfenen Auswärtstore stehen die Füchse im Final Four. Wirklich „das Wunder von Berlin“. Jetzt stehen die Füchse plötzlich in einer Reihe mit AG Kopenhagen, Atletico Madrid und dem THW Kiel. Diese Teams stehen auch im Final Four.

Füchse-Trainer Dagur Sigurdsson war nach diesem dramatischen Spiel völlig fertig. „Schon im Bus nach Madrid haben wir uns eine Taktik fürs Rückspiel in Berlin ausgedacht. Und mit dieser Taktik ist Leon dann tatsächlich nicht klar gekommen“, erklärte der Isländer. „Wir waren eigentlich schon tot. Was in Leon dumm gelaufen ist, hat diesmal geklappt“, sagte Füchse-Torhüter Silvio Heinevetter. Der Keeper war sogar für Leons Trainer Isodoro Martinez „einer der Siegfaktoren für Berlin“.

Heinevetter zeigte eine phantastische Leistung, er war in diesem Spiel mit 18 gehaltenen Bällen, teilweise schwersten Kalibers, Weltklasse. Er konnte sich dabei aber auch auf seine Abwehr verlassen, die ihn diesmal, im Gegensatz zu Leon, nicht im Stich ließ. Wie die Truppe um Abwehr-Chef Denis Spoljaric insbesondere den mit der Figur eines Sumo-Ringers ausgestatteten Kreisspieler Rafael Baena in den Griff bekam, war ein weiteres Plus gegenüber dem Hinspiel. „Wir haben alle gekämpft bis zum Umfallen, brutal kompromisslos“, sagte Heinevetter schweißgebadet, während ihm die Mitspieler dauernd auf die Schultern, Kopf und Rücken klopften.

So konnten sich die Füchse schnell in einen Rausch spielen, wie ihn ihre Fans noch nicht erlebt hatten. Sigurdssons Taktik, am Anfang bei Füchse-Angriffen Heinevetter durch einen siebten Feldspieler zu ersetzen, klappte glänzend. Die Füchse trafen regelmäßig, die Spanier selten. „Jedes Tor von uns wurde gefeiert wie ein Treffer bei der Fußball-WM“, sagte Sigurdsson, der sich „des Risikos bewusst“ gewesen war.

Hätten die Füchse in der ersten Halbzeit nicht elf klare Chancen ausgelassen, dann hätten sie einen noch größeren Vorsprung gehabt. So aber arbeiteten sie Schritt für Schritt ihren Vorsprung heraus, und die Gefahr war ständig präsent, doch noch scheitern zu können.

11:4 führten die Füchse nach einer ganz starken Leistung, als es plötzlich nicht mehr lief wie gewünscht. Auch Alexander Petersson ließ eine Chance aus, aber das durfte man gerade ihm zubilligen. Der Isländer erinnerte in diesem Spiel an seine besten Zeiten, in denen er zu den internationalen Topspielern im rechten Rückraum zählte. Am Ende war er mit neun Toren bester Füchse-Werfer vor Iker Romero (6), Torsten Laen und Sven-Sören Christophersen (je 5).

Petersson und seine Mitspieler konnten auch deshalb so stark spielen, weil ihnen Trainer Sigurdsson immer im richtigen Moment ein paar Minuten Pause gönnte. Zudem nahm der Coach immer wieder taktische Änderungen vor. Das überforderte Leon über weite Strecken. Die Gäste konnten selbst eine kurze, etwas schwächere Phase der Berliner nicht ausnützen. Kurzzeitig hatten die Füchse zwar nur noch einen Neun-Tore-Vorsprung (23:14), doch dann zeigten die Berliner erneut ihren schon so oft bewiesenen Kampfgeist. Und die Fans brüllten und trieben ihre Mannschaft an, auf den Sitzen hielt es schon längst keinen mehr.

Nach 57:49 Minuten bekam Torsten Laen, der zuvor das 29:18 markiert hatte, eine Zeitstrafe. Sollte der Traum doch noch platzen? Nein, denn nun kämpften alle Berliner auf dem Feld für Laen. Bei 58:37 Minuten nahm Sigurdsson eine Auszeit und verhinderte damit ein Zeitspiel seiner Mannschaft. Der Rest war Cleverness, Ballsicherung – und dann unglaublicher, lang anhaltender Jubel.

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