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Sport: Das Wunder von Moskau

Wie Tschetschenien in den Uefa-Cup einzog

Es war mehr als ein Sieg im Fußball. Es war Balsam für die verwundete Seele eines Volkes, das in weniger als einem Jahrzehnt mehr als 200 000 Angehörige verloren hat: das Volk der Tschetschenen. Terek Grosny, das Team aus der tschetschenischen Hauptstadt, hat 1:0 im russischen Fußball-Pokalfinale gegen Krylja Sowjetow, den Erstligisten aus Saratow an der Wolga, gewonnen. Der Verein darf nun im Uefa-Cup spielen.

In Grosny war der Jubel grenzenlos. Fremde lagen sich in den Armen, alten Männern liefen Freudentränen in die weißen Bärte. Surna und Taul – Volksinstrumente, mit Klarinette und Tamburin verwandt – bildeten den Takt zu Lesginka, dem traditionellen Tanz der Kaukasier. Wie bei Hochzeiten feuerten alle Menschen, die Waffen haben – in Tschetschenien fast jeder Mann ab 15 – Schüsse in die Luft ab, während Hammel am Spieß geröstet wurden.

Für die unter dem Bürgerkrieg leidenden Tschetschenen ist Terek Grosny nun die Elf, die das „Wunder von Moskau“ vollbracht hat. Terek ist der Name eines Flusses im nördlichen Kaukasusvorland und nach Meinung vieler Tschetschenen natürliche Grenze zwischen ihnen und den Russen, die vor einem halben Jahrtausend mit der Eroberung des Kaukasus begannen. Der Verein spielte in den Nationalfarben weiß-grün schon zu Sowjetzeiten in der ersten Liga. Zum letzten Mal kurz vor der Unabhängigkeitserklärung Tschetscheniens im September 1991.

Mit dem vor zwei Jahren neu gegründeten Verein, den reiche tschetschenische Unternehmer in Moskau sponsern, will der Kreml den Anschein einer Normalisierung der Lage erwecken. Der Sieg sei ein Symbol für die Wiedergeburt Tschetscheniens, sagte Präsident Wladimir Putin bei einem Empfang für die Sieger.

Der neue Verein hat allerdings wenig mit dem alten zu tun: Tschetschenen sind einzig Trainer Wait Talgajew und der Boss des Vereins, Ramzan Kadyrow. Der 27-Jährige ist Sohn des vor drei Wochen bei einem Anschlag ums Leben gekommenen tschetschenischen Präsidenten Ahmad Kadyrow. Die Mannschaft besteht aus altgedienten russischen Fußball-Söldnern wie Andrej Fedjkow, der in der Nachspielzeit den Siegestreffer erzielte. Er war früher Stürmer in Russlands Nationalmannschaft.

Kaum ein Spieler hat jemals tschetschenischen Boden betreten. Da Grosny in Trümmern liegt, trainiert der Verein im nordkaukasischen Kurort Kislowodsk. Die Heimspiele werden im benachbarten Pjatigorsk ausgetragen. Doch internationale Standards erfüllt das Stadion nicht. Sein erstes Heimspiel im Uefa-Cup wird Terek Grosny deshalb wohl im nordossetischen Wladikawkas austragen. Mögliche Gegner: die deutschen Teams aus Bochum, Aachen und Stuttgart.

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